Freitag, März 29, 2024
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Die IDS der Dinge und Innovationen für Praxis- und Laboralltag

Die Internationale Dental-Schau 2015 stand im Zeichen digitaler Technologie – einmal mehr und doch auch ganz anders als in den vergangenen Jahren! So erlebten die Besucher einen faszinierenden neuen Stand der Technik, dessen herausragende Chance auf der engen Vernetzung von technischen Geräten sowie von Labor und Praxis beruhen.

Die Entwicklung dorthin steht in einem größeren Zusammenhang. So hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ eines seiner bevorzugten Forschungsprojekte ins Leben gerufen. Zu den vielen Facetten gehört zum Beispiel die Codierung von Formteilen in digitalen Datensätzen. Sie werden dann zur Fertigung von Karosserien, Motorblöcken und vielem mehr via Internet an ein (möglicherweise weit entferntes) Produktionszentrum geschickt. Das Prinzip setzt sich fort bis in Bereiche des täglichen Lebens bis zur Fernsteuerung von Heizungen, Rollläden und Kühlschränken in der eigenen Wohnung via Mobiltelefon („smart home“) oder die Überwachung technischer Funktionseinheiten.

Ein anderes Schlagwort für diese chancenreiche Welt lautet „Internet der Dinge“, doch wie man es auch nennt, es lässt sich natürlich nicht 1:1 auf Zahnarztpraxis und Dentallabor und damit auf die IDS 2015 übertragen. Denn hier sind die Anforderungen besonders groß. Das beginnt bei hohen Standards für Präzision, Funktionalität, Belastbarkeit und Ästhetik, setzt sich bei der Hygiene- und Infektionskontrolle fort und betrifft unter anderem auch die Sicherheit sensibler Patientendaten sowie Fragen der Wirtschaftlichkeit. Dennoch ist die dentale Welt, sind Praxen, Labore, Handel und Dentalindustrie teilweise sogar Vorreiter der allgemeinen Entwicklung – wie die dentale Weltleitmesse zeigt.

Neue fräsbare Legierungen – Kunststoffobjekte im 3D-Druck Die intelligente Vernetzung im Sinne einer Praxis 4.0 bzw. eines Labors 4.0 ist in der CAD/CAM-Fertigung bereits Realität. Die Welt der digitalen Systeme umspannt den gesamten dentalen Workflow. Mit offenen Systemen lassen sich Abformungen, CAD-Designs von Restaurationen, Bohrschablonen und vielem mehr in STL-Datensätzen codieren. Für die Abformung ohne Abformmaterial wurden auf der IDS unter anderem extrem kleine und leichte Geräte vorgestellt. Ein kompletter Kieferscan kann in fünf Minuten vorgenommen werden – und das ohne Puder und bereits inklusive der Präparation. Die fertigen STL-Files können wahlweise auf einen USB-Stick oder direkt an das Labor übertragen werden. Für die Diskussion und Planung konkreter Patientenfälle können Zahnarzt und Zahntechniker darüber hinaus digitale Cloud-Lösungen nutzen. Dabei greifen beide Partner gleichzeitig auf die Daten zu.

Für die Weiterverarbeitung der STL-Datensätze stehen dann alle Optionen offen: schleifen, fräsen, mit lasergestützten Verfahren bearbeiten, aus unterschiedlichen Keramiken, Edelmetall, Nichtedelmetall oder Kunststoff fertigen oder auch PMMA-Gießgerüste für den Edelmetallguss herstellen. Und es kommen immer neue Werkstoffe hinzu. So zählt zu den Innovationen der IDS 2015 unter anderem eine fräsbare Palladium-Basis-Legierung – ein besonders wirtschaftliches Angebot für jeden Anwender.

Ein relativ neues Fertigungsverfahren stellt der 3D-Druck dar. Während bereits heute komplexere Produkte ausgedruckt werden können, betreffen die dentalen Höchstleistungen kleine Objekte aus bioverträglichen Materialien und mit hoher Präzision. Neu auf der IDS: Gedruckte zahntechnische Modelle können unter Einsatz der so genannten PolyJet-Technologie, bei der flüssiger Photopolymer-Kunststoff in winzigen Tropfen schichtweise aufgetragen und mit UV-Licht sofort ausgehärtet wird, eine Detailgenauigkeit bis auf 16 Mikron erreichen.

Frisch auf der Messe zu sehen waren außerdem Allround-Geräte für Schienen, Bohrschablonen, Guss-Designs, Modelle, Kronen, Brücken und Abdrucklöffel aus Kunststoff. Sie fertigen in enormer Schnelligkeit – bis zu 50 mm Bauhöhe pro Stunde und für bis zu fünfzig Kronen oder sieben Schienen in einem einzigen Druck. Auch Langzeitprovisorien werden nun patientenindividuell gestaltet und als echtes Unikat gedruckt und direkt eingesetzt.

Selbst eine komplette Totalprothese lässt sich digital in einem Arbeitsschritt im Labor fertigen. Dadurch reduziert sich die zeitaufwändige Prozedur für den Patienten auf zwei Zahnarztsitzungen.

Schnittstellen zur Implantologie und Kieferorthopädie Diese Fertigungsmethoden verknüpfen sich immer stärker mit bildgebenden Verfahren. Kombiniert man dreidimensionale Röntgenbilder mit Scan-Daten der klinischen Situation, so lässt sich zum Beispiel eine Implantation besser planen – bis hin zur fertigen Bohrschablone. Innovative CAD/CAM-Rohlinge für implantatgetrage-nen Zahnersatz stehen etwa in Hybridkeramik, Glaskeramik und Komposit zur Verfügung, und einige von ihnen sind jetzt werksseitig sogar schon mit einer integrierten Schnittstelle (Schraubenkanal inklusive Verdrehsicherung) zu einer Klebe-/Titanbasis ausgestattet.

Komplett digitale Abläufe werden zunehmend auch für die Kieferorthopädie interessant, denn sie reichen nun vom Scannen über die digitale Diagnostik bis hin zum Tiefziehen und schließlich zum 3D-Druck. Für diagnostische Sicherheit sorgen Röntgenaufnahmen von ungeahnter Bildqualität. Hier zahlt sich die sogenannte Sharp-Layer-Technologie aus. Sie nutzt für eine Panoramaaufnahme mehrere tausend Einzelprojektionen aus verschiedenen Winkeln, wobei individuelle morphologische Gegebenheiten zeichenscharf abgebildet und Positionierungsfehler nachträglich ausgeglichen werden können.

Verbesserte Bildqualitäten können sogar mit reduzierter Strahlendosis erzielt werden, wenn aus der radioaktiven Strahlung, ohne den Zwischenschritt einer Umwandlung in Licht, direkt ein elektrisches Signal erzeugt wird. Indessen schicken sich innovative Kameras mit Wechselobjektiv an, die Kariesdiagnostik ganz ohne Röntgen durchzuführen. Stattdessen wird die visuelle Inspektion durch eine Kombination von Fluoreszenz- und Infrarottechnologie unterstützt, um auf diese Weise alle Zahnflächen zu erfassen. Mit dem unbewaffneten Auge schwer erkennbare Initialkariesläsionen werden so zum Beispiel einer rechtzeitigen Behandlung mit „Karies-Stopp-Lacken“ zugänglich gemacht, so dass eine Füllungstherapie möglicherweise vermieden werden kann.

Für die Endodontie wiederum wird das dreidimensionale Röntgen immer interessanter, denn oftmals ermöglicht es das Erfassen und den Nachweis zusätzlicher Wurzelkanäle sowie die Verifizierung diskreter apikaler Aufhellungen. Für die Aufbereitung bedarf es immer weniger Feilen. Eine einzige ist beim Arbeiten in reziproker Bewegung jetzt in einer größeren Anzahl von Fällen ausreichend – dank noch biegefesterer Instrumente. Daneben erlebten die Messebesucher Ein-Feilen-Konzepte mit kontinuierlicher Rotation. Charakteristisch sind hier der asymmetrische Feilen-Querschnitt, der entlang der Schnittkanten variable Querschnitt sowie der längere Abstand zwischen den Windungen („Pitch“). Und die magnetische Wurzelextrusion macht es jetzt möglich, tief frakturierte Wurzeln zu erhalten und in die prothetische Versorgung einzubeziehen sowie vor einer Implantation das körpereigene Knochengewebe zu vermehren und das ästhetisch wichtige Weichgewebe anzuheben.

Eine weitere neue Schnittstelle der Endodontie zur digitalen Welt: Einen neuartigen kabellosen Motor steuert der Zahnarzt über ein iPad mit einer vom Hersteller entwickelten Apple iOS-Applikation. Dabei kann das Drehmoment in Echtzeit aufgezeichnet werden – neben zahlreichen weiteren unterstützenden „Tools“ für die Dokumentation der Behandlung und bei der Patientenberatung.

Immer stärker werden unterschiedliche Systeme in der Praxis von der Sauganlage bis zur digitalen Röntgeneinheit miteinander vernetzt. Damit kann ein kompletter Funktions-Status komfortabel über den PC abgerufen werden. Vor allem jedoch bietet sich die Möglichkeit, Service-Technikern automatisch wichtige Informationen zukommen zu lassen, damit sie sich auf einen Besuch zielgenau vorbereiten können. Eventuell nötiges Werkzeug oder Austauschteile sind dann gleich zur Hand, während eine Unzahl von Ordnern durch digitale Bedienungsanleitungen und Wartungshilfen ersetzt wird. Das erhöht letztlich auch die Ausfallsicherheit – zum Beispiel von dentalen Saugsystemen. Diese werden darüber hinaus dank einer neuen Generation mit Radialverdichtung (statt Seitenkanalverdichtung) deutlich energieeffizienter.

Handfest innovativ für den Praxis- und Laboralltag Neben dem Megatrend zur „digitalen Zahnheilkunde“ hielt die IDS 2015 eine ganze Reihe von Innovationen bereit, die den Alltag in Praxis und Labor unmittelbar erleichtern dürften – zum Beispiel beim schnellen Durchgang zur visuellen Inspektion: Mundspiegel und Absaugkanüle sind jetzt in einem Instrument vereint, womit der Zahnarzt rascher, präziser und häufiger auch ohne Stuhlassistenz arbeiten kann.

Muss ein Eingriff, wie etwa eine Kariesexkavation, vorgenommen werden, bietet eine neue Licht-Technologie eine schattenfreie Sicht. Das System basiert auf fünf lichtintensiven, stecknadelkopfgroßen LEDs, die ringförmig in den kleinen Instrumentenkopf integriert sind. Nicht nur von mesial, sondern gleichzeitig von bukkal, distal und lingual/palatinal wird jede Präparationsstelle ausgeleuchtet. Ein elastischer Silikonschutz hält Ätzgel und andere Materialien von der Gingiva fern und sorgt für die notwendige Trockenheit der zu behandelnden Stelle – ohne Klammern und bei jederzeit frei zugänglichem Arbeitsbereich. Für ein minimalinvasives und schmerzarmes Vorgehen wurden auf der IDS, alternativ zum Bohrer, neue Laser vorgestellt.

Die Werkstoffoptionen vermehren sich aktuell um das erste rein keramisch basierte Füllungsmaterial. Eines seiner Merkmale stellt der niedrige Polymerisationsstress dar. Das erlaubt Inkrementstärken von bis zu 4 Millimetern, wie man sie aus der klassischen Bulkfüll-Technik kennt.

Im Bereich der indirekten Restaurationen punktet ein neues Verblendkonzept mit der Möglichkeit, individuell die Helligkeit im Dentinkern zu steuern, ohne die eigentliche Farbe zu verändern. So beeinflusst der Zahntechniker die Intensität von opaleszierenden Schneideanteilen und erlangt Farbsicherheit auch bei geringen Platzverhältnissen. Und zur Härtung vom Komposit bis zum Versiegelungslack kann das Labor jetzt das erste mobile Licht-Polymerisationsgerät für Zahntechniker einsetzen, das durch gleichzeitige Einstrahlung von UV- und blauem Licht für alle dentalen Werkstoffe geeignet ist.

Für Hochglanz beim intra- und extraoralen Bearbeiten aller Keramik- und Kompositrestaurationen sorgen neue Polierer. Mit ihnen arbeitet der Zahnarzt auch in schwer zugänglichen Bereichen wie der Okklusalfläche sicher, wobei die ursprüngliche Oberflächenstruktur erhalten bleibt. Neu für größere chirurgische Eingriffe: Schnitte lassen sich jetzt mit gleichzeitiger Koagulation führen, ohne Verfärbungen oder Nekrosen. Das ermöglicht ein neues Kompaktgerät. Es lässt sich so minimalinvasiv einsetzen, wie es die feinste verfügbare Elektrode erlaubt.

Erfolgsfaktor Hygiene und Infektionsschutz Angesichts aktueller Epidemien und weltweiter Keimübertragung rückt der Bereich „Reinigung, Desinfektion, Sterilisation“ stärker in den Vordergrund. Dabei sind sehr hohe Sicherheitsstandars ein Muss. Zu den Innovationen zählt ein Steril-Container, der den Gebrauch von Sterilisationsverpackungen überflüssig macht. Ein neues Abdrucklöffelreinigungsgerät mit zwei rotierenden Bürsten entfernt die gelösten Abformmaterialien wie festsitzende Alginate, Hydrokolloide, Silikone, Polyether, Gips, Wachse oder auch Haftvermittler. Für die Thermo-Desinfektion aller zahnärztlichen Hohlkörperinstrumente – vom Speichelsauger bis zu Turbinen, Hand- und Winkelstücken – bietet sich jetzt ein Spülsystem mit patentierter, drehzahlvariabler Umwälzpumpe an. Es passt den Wasserdruck den Anforderungen in den jeweiligen Programmphasen an und spart damit Wasser und Energie. Auf eine etwas andere Weise sind Hygiene und Infektionsschutz auch in der häuslichen Mundpflege oberstes Gebot, insofern sie den Patienten vor oralen Erkrankungen schützen und darüber hinaus systemischen Komplikationen, wie etwa einer Endokarditis, vorbeugen. Die Palette der hilfreichen Geräte ist größer geworden. So können Patienten zur Approximalraumreinigung, alternativ zur Zahnseide, Dreifach-Sprühstöße mit einem speziellen Gerät vornehmen. Und die Kombination einer elektrischen Zahnbürste mit einer App hilft dem Patienten, seine Mundhygiene-Gewohnheiten zu optimieren, und dem Zahnarzt, noch patientenindividuellere Ratschläge zu geben.

Damit steht man an der Grenze zur Telemedizin oder „eHealth“, wobei immer deutlicher wird: Entscheidend wirkt hier nicht nur das Vernetzen von Geräten, wie in der industriellen Fertigung, sondern von Menschen. Zahnarzt und Zahntechniker planen einen Fall gemeinsam. Beide können dem Patienten die notwendigen Maßnahmen mit Unterstützung der Bilder auf einem Smartphone oder Tablet oftmals viel besser erklären. Das Fundament für Therapie-Entscheidungen wird noch breiter und tragfähiger. Kurz: Über die digitalen Technologien rücken Zahnarzt, Zahntechniker und Patient enger zusammen. Diese chancenreiche Zukunft der Zahnheilkunde konnten die Besucher der IDS 2015 deutlich spüren.

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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