Freitag, März 29, 2024
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Entschleunigt Reisen. Aber wie?

Flug LX901 Mitte Dezember. Ich sitze im Flugzeug von Leipzig nach Zürich und tippe an meinem Notebook. Wir rollen Richtung Startbahn. Plötzlich erscheint die Stewardess und fordert mich auf, das Gerät abzuschalten.

Und das, obwohl es sich um einen Tablet PC mit abnehmbarer Tastatur handelt und Tablets ausdrücklich während Start und Landung erlaubt sind. Nachdem ich theatralisch die magnetische Tastatur vom Surface Pro 3 abzog und versöhnlich lächelnd wieder andockte, staunende Gesichter der Stewardessen und eilige Rückfrage beim Purser.

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Der Vorteil des Flugzeugs auf Kurzstrecken ist in Wirklichkeit keiner.

Nach kurzer Diskussion wurde mir das Weiterschreiben während Start und Landung ausschließlich OHNE Tastatur gestattet. Wohlgemerkt: Es handelte sich um keine Funktastatur!

Bei der Sicherheitskontrolle zuvor, schaffte es Leipzig als erster Flughafen innerhalb von zehn Jahren ein fehlendes Plastiksackerl zu beanstanden. Um 1€ gekauft, wurden Zahnpasta und Deo ein zweites Mal unter den kritischen Augen der motivierten Sicherheitstruppe geröntgt und für ungefährlich und flugtauglich befunden. Obwohl ich ausreichend Zeit hatte, war mein Puls auf 1.000, denn ich frage mich, ob derzeit in der EU bei allen (Grenz-)kontrollen so rigoros vorgegangen wird.

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Einfach aus dem Zug in die Gegend schauen. Einfach traumhaft.

Gerade, wenn es auf Weihnachten und das Jahresende zugeht, verstärkt sich das Gefühl, daß sich alles beschleunigt, verdichtet und die Uhr mehr als sonst der tägliche Gegner ist, den es unter Kontrolle zu halten gilt. ToDo Listen müssen abgearbeitet werden, Termine abgehakt, Besorgungen erledigt und das bis zur letzten Minute vor Weihnachten. Man gerät zwischen Beruf und Familie leicht in einen Sog der einen bis Heiligabend nicht mehr loslässt. Doppelt machen sich Streß und Anspannung bemerkbar, wenn man viel unterwegs ist und dann zusätzlich von Staus, Parkplatzsuchen, Strafen  und Verspätungen betroffen ist.

Für alle, die viel unterwegs sind, habe ich ein paar persönliche Tipps bereit, die mir regelmäßig helfen, den beruflichen Reisealltag zu entschleunigen.

So versuche ich so oft wie möglich das Flugzeug bei Kurzstrecken im deutschsprachigen Raum zu meiden und statt dessen einen Tag vorher den Nachtzug zu nehmen. Dadurch verliert man keinen Arbeitstag. Wenn man im Abteil sitzt und die malerische Landschaft stundenlang vorbeiziehen sieht, entspannt das unheimlich. Mit jedem Kilometer sinkt der Puls. Das Rattern der Räder wiegt einen in den erholsamen Schlaf. Bei hohem Reiseaufkommen tagsüber empfiehlt sich die Erste Klasse, die mit Vorteilscard oder Halbtax auch gut leistbar ist. Das Bordbistro ist ein guter Tip zum Runterkommen, auch das Angebot ist im deutschsprachigen Raum mehr als akzeptabel. Flughäfen und Autobahnen einfach links liegenlassen.

Keine stundenlangen Wartezeiten am Flughafen, kein Rumgeschubse b

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Entschleunigung erreicht man auch mit einem Youngtimer.

ei Sicherheitskontrollen, keine Schlangen am Gate und beim Platznehmen im Flugzeug. Keine Staus auf der Autobahn, kein Parkplatz suchen, keine Schleicher, keine Raser, keine Grenzkontrollen.

Selbst an Bord des Fliegers wird es kaum besser. Der Minutentakt von Essen und Trinken, vom Müsliriegel über Kaffee, Wasser und Tomatensaft bis hin zum Stück Schokolade kurz vor der Landung, macht die Sache auch nicht entspannter.

Alles an Boden und Luft ist minutengenau getaktet, und das Geheimnis innerer Ruhe liegt genau darin, dieser Taktung bewußt zu entkommen.

Das gelingt hervorragend mit dem Zug. Statt 1-2 Stunden vor Abflug, komme ich entspannt 10-20 Minuten vor der Abfahrt am Bahnhof an, beziehe das Schlafwagenabteil, geniesse ein Glas Wein und betrachte die Landschaft oder erledige am Notebook in aller Ruhe noch ein paar Dinge. Irgendwann falle ich dann entspannt ins Bett. Am nächsten Morgen ein reichhaltiges Frühstück am Bett im Abteil und man steigt entspannt – direkt im Zentrum – am Zielort aus. Kein Taxi, kein Bus, kein Airporttransfer. Probieren Sie es einfach bei Gelegenheit aus.

Selbst wenn Sie lieber mit dem eigenen Auto unterwegs sind, gibt es mehrere Entschleunigungsmöglichkeiten. Zum einen können Sie auf manchen Strecken auf den Autoreisezug zurückgreifen (Feldkirch, Hamburg, Livorno, etc.) plus Schlafwagenabteil oder aber Sie ändern die gewohnte Fahrtstrecke.

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Hans Sigl “Der Bergdoktor” bei Dreharbeiten in Ellmau

Da ich oft zwischen Zürich und Graz unterwegs bin, verzichte ich im Auto fast immer auf das Deutsche Eck, sondern fahre über Ellmau, Zell am See und das Steinerne Meer Richtung Bischofshofen und dann weiter über Schladming. Erst ab Liezen sieht mich die dann leere Autobahn wieder. Die Tempo 100 Strecken um Innsbruck geniesse ich in meinem fast 20 Jahre alten Mercedes, anstatt mich über Tempolimits, Linksfahrer oder Raser zu ärgern.

Zugegeben, man braucht zwar etwas mehr Zeit, aber deutlich weniger Sprit und Nerven. Zudem entdecke ich fast jedes Mal neue kulinarische Restaurants und einladende inspirierende Dörfer. An manchen Tagen bleibe ich aus sentimentalen Gründen in Ellmau stehen und besuche den Bergdoktor. Zweimal wurde sogar vor Ort gedreht und einmal erklärte sich Hans Sigl zu einem gemeinsamen Foto bereit, welches er mit meinem Smartphone von uns beiden machte bzw. in dem Moment auch machen musste, weil ich einfach zu nervös war.

Anstatt abgehetzt und müde am Ziel anzukommen, bin ich entspannt und geniesse jede Minute und jeden Kilometer. Gerade in der Vorweihnachtszeit könnte das für manchen ein sinnvoller Tipp sein.

Probieren Sie es einfach aus und posten Sie unten ihre persönlichen Erfahrungen. Ich freue mich über jeden Kommentar.

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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