Dienstag, März 19, 2024
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CAD/CAM Totalprothetik

grafikDas Verfahren zur Erstellung schleimhautgetragener Totalprothesen erfuhr in den letzten Jahrzehnten nur wenige Veränderungen. Dies ändert sich derzeit durch die Einführung von CAD/CAM Technologien zur Herstellung von herausnehmbarem Zahnersatz.

CAD/CAM ist ein modernes und fortschrittliches Herstellungsverfahren in der festsitzenden und neuerdings eben auch in der herausnehmbaren Prothetik. CAD/CAM bedeutet Computer-Aided Design (CAD) und Computer-Aided Manufacturing (CAM). Durch CAD wird ein Objekt computerunterstützt konstruiert und anschließend mit CAM computerunterstützt gefertigt. Dies geschieht in der zahnärztlichen Prothetik unter der Zuhilfenahme von computergesteuerten Fräsmaschinen.

Vier verschiedene Hersteller wollen in Zukunft im deutschsprachigen Raum ihre Systeme für die Totalprothetik vertreiben, mit teilweise großen Unterschieden im klinischen Behandlungsablauf und auch im technischen Fertigungsprozess. Diese Neuerung stellt das Forschungsgebiet der Totalprothetik erneut ins Rampenlicht.

Die wesentlichen Unterschiede zum konventionellen Konzept liegen im Behandlungsprotokoll und der technischen Fertigung. Das Innsbrucker Totalprothesenkonzept gilt aktuell als Gold Standard für die Anpassung von Totalprothesen. Dieses Konzept gliedert sich in fünf Sitzungen, beginnend mit einer anatomischen Abformung mit konfektionierten Schreinemakers Löffel und Alginat. Anschließend wird am Modell ein individueller Abformlöffel hergestellt, um in der nächsten Sitzung die Funktionsabformung durchzuführen. Am Meistermodell werden nun Bissschablonen mit Wachswällen hergestellt, welche zur Übertragung der Okklusionsebene und zur Kieferrelationsbestimmung angepasst werden. In der nächsten Behandlungssitzung wird eine Wachsprobe im Patientenmund durchgeführt. Zehn Tage nach Übergabe sollte eine Remontage zur Feineinstellung der Okklusion erfolgen.

Die neuen Systeme bestechen vor allem durch ihr verkürztes und vereinfachtes Anwendungsprotokoll. Teilweise gibt es auch günstigere materialkundliche Eigenschaften. Dies wird derzeit an der Medizinischen Universität Innsbruck untersucht.

Die neuen Behandlungsprotokolle versuchen verschiedene Teilschritte des konventionellen Konzepts zusammenzuführen und dadurch die Sitzungszahl zu verkürzen. In der Folge ist es manchen Herstellern möglich, die fertige Totalprothese bereits in der 2. Sitzung zu übergeben.

In der ersten Behandlungssitzung werden Funktionsabformung und Kieferrelationsbestimmung mit systemspezifischen konfektionierten Löffelsystemen durchgeführt. Ein Hersteller fertigt, analog zum konventionellen Weg, anhand dieser Abformung noch gefräste individuelle Löffel für die Funktionsabformung. Der eigentliche digitale Workflow beginnt mit dem Scan der Funktionsabformungen. Bei allen Systemen ist es möglich, das voraussichtliche Endergebnis im Mund zu visualisieren.

Für prothetische Rehabilitationen bei Patienten, für die eine verkürzte Behandlungsdauer besonders wichtig ist, stellen die neuen Behandlungsprotokolle eine sehr gute Alternative dar. Ein weiterer Vorteil ist die jederzeit mögliche Reproduzierbarkeit gebrochener oder verloren gegangener Prothesen anhand des gespeicherten Datensatzes.

Eine Studie aus dem Jahr 2015 vergleicht die Behandlungsergebnisse von konventionell und CAD/CAM hergestellten (Avadent Digital Dentures®, USA) Totalprothesen, durchgeführt von Studenten der Zahnmedizin an der Loma Linda University School of Dentistry, Kalifornien. In der Studie zeigte sich, dass das CAD/CAM Behandlungsprotokoll im Vergleich zum konventionellen Protokoll zeiteffizienter, aber gleich effektiv ist. Die behandelnden Studenten bevorzugten das Avadent Digital Denture® System gegenüber dem konventionellen System.

Materialtechnik

PMMA ist heutzutage das gebräuchlichste Material zur Herstellung von Prothesen.

Folgende materialtechnische Probleme beziehungsweise Schwachstellen können bei der Herstellung von Prothesen mit PMMA auftreten:

  • Porositäten
  • Polymerisationsschrumpfung
  • Farbstabilität
  • Biokompatibilität

Die CAD/CAM basierte Fertigung hat das Potential folgende Eigenschaften zu verbessern:

+      Stabilität: Die Bruchstabilität soll durch den hohen Kondensationsgrad der industriell gefertigten Rohlinge verbessert sein.

+      Oberflächenbeschaffenheit: Das Fräsverfahren soll zu einer glatteren Oberfläche führen.

+      Standardisierte Produktqualität durch industrielle Herstellung und Verarbeitung.

+      Passung: Durch das Ausbleiben der Polymerisationsschrumpfung soll eine genauere Prothesenpassform erreicht werden.

Conclusio

Erste klinische Erfahrungen haben gezeigt, dass die Passung durch das Fräsverfahren besser ist. Dies präsentierte sich vor allem durch das sehr seltene Auftreten von Druckstellen und die gute Saughaftung, auch von Unterkieferprothesen.

Die minimierte Sitzungsanzahl ist an und für sich genommen von Vorteil, jedoch sind die einzelnen Teilschritte auch fehleranfälliger. Es wurde festgestellt, dass der Behandler durchaus über viel prothetisches Wissen und Können verfügen muss, um ein gutes Endergebnis zu erzielen und so Behandlungszeit einsparen zu können. Um das Handling der neuen Utensilien und die modifizierten Arbeitsschritte zu erlernen, sind Hands-on Kurse sicherlich empfehlenswert.

Welche der neuen Konzepte sich langfristig etablieren werden, wird sich erst im Laufe der nächsten Jahre zeigen, wenn genügend klinische Erfahrung gesammelt wurde und eine umfangreiche Evaluierung stattgefunden hat. In jedem Fall eröffnen sich durch die CAD/CAM Technologie in der Totalprothetik neue Perspektiven. Neue Impulse werden auch durch die Möglichkeit des Druckens von Prothesen erwartet. Insbesondere für junge Zahnärzte machen diese Verfahren die Versorgung Zahnloser wieder spannend.

Autor: Dr. med. dent Lukas Ruech

Literaturliste auf Anfrage: Lukas.Ruech@tirol-kliniken.at

gruppenfoto

Die CAD/CAM Forschungsgruppe der Uni Innsbruck unter der Leitung von Frau DDr. Patricia-Anca Steinmaßl, von links: Wolfgang Stöckl, A. Univ.-Prof. DDr. Herbert Dumfahrt, DDr. Otto Steinmaßl, DDr. Patricia-Anca Steinmaßl, UZK Direktorin Univ.-Prof. DDr. Ingrid Grunert, Dr. med dent Florian Klaunzer und Dr. med. dent Lukas Ruech.

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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