Eine eigene Arztpraxis aufzubauen, ist eine gewaltige Aufgabe. Doch was passiert, wenn die Vision größer ist – nicht nur eine Praxis, sondern eine riesige Klinik? Und was, wenn der größte Widerstand nicht von Banken oder Behörden kommt, sondern aus der eigenen Berufsvertretung? Dies ist die Anatomie einer Rebellion gegen ein erstarrtes System, erzählt am Beispiel von Dr. Eberhard Kowatsch.
Sein Plan, eine moderne Zahnklinik zu gründen, mündete in einen achtjährigen Kampf, obwohl er eine bestehende Zulassung übernehmen konnte. Seit 2017 kämpfte er gegen eine Institution, die ihn eigentlich hätte unterstützen sollen: die Zahnärztekammer. Sein steiniger Weg ist eine Fallstudie über Marktstörung, Beharrlichkeit und die Zukunft der Medizin. Hier sind die fünf entscheidenden Lektionen aus diesem Kampf:
- Der größte Gegner: Nicht der Markt, sondern die eigene Kammer
Der härteste Konflikt für Dr. Kowatsch kam von der Zahnärztekammer – seiner eigenen Interessensvertretung. Während die zuständigen Landesbehörden das Projekt mehrfach genehmigten, legte die Kammer wiederholt Beschwerden ein. Das Kalkül dahinter war eine reine Zermürbungstaktik: Die Einsprüche erfolgten fast immer „last minute“, oft am letzten Tag einer Frist, um maximale Verzögerung und Unsicherheit zu erzeugen.
Das Paradoxe an dieser Situation wurde durch ein kafkaeskes Detail auf die Spitze getrieben: Während die Kammer ihn bekämpfte, musste Dr. Kowatsch weiterhin seine Mitgliedsbeiträge zahlen. Er war gezwungen, „seinen Kläger weiter zu bezahlen“. Auf die Frage, welche sachlichen Argumente die Kammer gegen sein Vorhaben habe, erhielt er eine entwaffnend simple und zugleich frustrierende Antwort:
„Wir wollen das einfach nicht.“
Mehr Begründung gab es nicht. Eine Aussage, die offenlegt, dass es nicht um strategische Bedenken ging, sondern um den reinen Widerstand eines etablierten Systems gegen einen disruptiven Akteur aus den eigenen Reihen. Am Ende half ihm 2025 eine vom damaligen Bundesminister Johannes Rauch umgesetzte Gesetzesänderung, die das Mitspracherecht der Österreichischen Zahnärztekammer bei Kliniken einschränkte.
- Die Vision: Groß, aber das Gegenteil von Massenabfertigung
Auf dem Papier klingen die Eckdaten der Klinik beeindruckend: 810 Quadratmeter, 17 Behandlungseinheiten, ein eigener OP. Man könnte eine unpersönliche „Fabrik“ erwarten. Doch Dr. Kowatschs Vision ist das genaue Gegenteil. Seine Kernphilosophie lautet, bewusst keine „Hartlauer-Klinik“, also keinen Ort der Massenabfertigung, zu schaffen. Stattdessen will er höchste Qualität zu einem vernünftigen Preis anbieten.
Wachstum soll langsam und organisch erfolgen – der Plan sieht vor, das Assistenzteam von anfangs 10 auf 35 Mitarbeiterinnen auszubauen, um die Teamkultur und Qualität zu sichern. Diese Unabhängigkeit von kurzfristigem Profitdruck wird durch eine klare Haltung untermauert: „Wir haben uns auch bewusst jetzt nicht mit irgendwelchen Firmen ins Bett gelegt.“ Es geht um medizinische Integrität und Unabhängigkeit. Nicht um Konzernvorgaben. Die ethische Leitlinie ist klar definiert:
„Jeder soll so behandelt werden, wie wir selber behandelt werden möchten, unabhängig von unserem wirtschaftlichen Erfolg, der sich aber zwangsläufig ja sowieso einstellt.“
Dieser Ansatz setzt nicht auf kurzfristige Gewinne, sondern auf langfristiges Patientenvertrauen – ein Wert, der hier in großem Maßstab umgesetzt wird.
- Die Zukunft der ärztlichen Arbeit: Das „Wohlfühlpaket“
Das Modell der Klinik ist mehr als nur ein attraktiver Arbeitsplatz; es ist eine Antwort auf eine Systemkrise in der Zahnmedizin. Die neue Ärztegeneration will sich auf ihre medizinische Kernkompetenz konzentrieren, statt 90 Stunden pro Woche als Zahnarzt und Unternehmer zu arbeiten. Doch der Weg in die Selbstständigkeit ist für viele blockiert: Die Gründung einer Praxis kostet heute 600.000 bis 700.000 Euro, und Banken vergeben an junge Absolventen kaum noch Kredite.
Hier setzt Dr. Kowatschs „Wohlfühlpaket“ an, eine Art vertikal integrierte Serviceplattform, die dieses Nachwuchsproblem löst. Die Klinik übernimmt alle unternehmerischen Lasten – Personal, Geräte, Buchhaltung –, sodass sich angestellte Ärzte voll auf die Patienten konzentrieren können. Es geht nicht darum, weniger motivierte Ärzte anzuziehen, sondern exzellente Mediziner, die keine Unternehmer sein wollen. Diese Struktur schafft zudem eine bemerkenswerte medizinische Freiheit: Ärzte sind nicht an bestimmte Materialien wie z.B. Implantatsysteme gebunden, sondern können mit den Materialien arbeiten, mit denen sie die besten Ergebnisse erzielen. Ein gravierender Unterschied zu den Billigketten internationaler Finanzinvestoren.
- Die Entscheidung: Medizin vor reinem Profit
Eine prägnante Anekdote offenbart die fundamentalen Werte der Klinik. Als Dr. Kowatsch die bestehende Klinikzulassung erwerben wollte, boten institutionelle Investoren ein Vielfaches seines Angebots. Wirtschaftlich schien das Rennen bereits verloren, bevor es angefangen hatte. Doch er appellierte an die Emotionen des Verkäufers: Er argumentierte, dass Finanzinvestoren dessen Lebenswerk nur „ausquetschen“ und „verbrannte Erde“ hinterlassen würden. Seine Kernüberzeugung ist, dass eine medizinische Einrichtung von einem Zahnarzt geführt werden muss, um seriös zu bleiben. Diese Haltung zementiert er mit einem klaren Statement:
Wir wollen hier wirklich einen Platz von Medizinern, für Mediziner, für Patienten schaffen und keinen Platz für Investoren.
Diese Entscheidung ist ein klares Bekenntnis, dass in dieser Klinik die medizinische Ethik immer über dem reinen Profitstreben stehen wird.
- Die Lehre aus der Konkurrenz: Wie „Billigketten“ die Guten stärken
Die gesetzlichen Änderungen, die Dr. Kowatschs Kampf mit anstieß, ebnen nun auch reinen Billigketten den Weg nach Österreich. Doch er sieht dieser Entwicklung gelassen entgegen. Seine Analyse ist eine Lektion in moderner Marktsegmentierung: Ein polarisierter Markt schadet nicht den Qualitätsanbietern. So wie Porsche neben Dacia und Louis Vuitton neben H&M Rekordergebnisse erzielt, wird sich auch der Gesundheitsmarkt aufspalten.
Seine These: Nicht die Premiumanbieter – weder seine Klinik noch herausragende Einzelpraxen – werden unter dem neuen Wettbewerb leiden. Untergehen werden jene unterhalb der Mitte, die schon immer schlechte Qualität zu überhöhten Preisen angeboten haben. Der verschärfte Wettbewerb zwingt alle zur Qualitätssteigerung und Transparenz, was letztlich den Markt belebt und den Patienten nützt. Die Spreu wird sich vom Weizen trennen.
Fazit
Der Weg von Dr. Eberhard Kowatsch ist eine eindrucksvolle Fallstudie darüber, wie wahre Innovation oft gegen den Widerstand etablierter Strukturen erkämpft werden muss. Seine Geschichte zeigt, dass Größe und Qualität kein Widerspruch sind und dass eine moderne Vision für die Medizin enorme Vorteile für Ärzte und Patienten schaffen kann.
Am Ende seines achtjährigen Kampfes endet die Geschichte jedoch nicht mit Groll, sondern mit Weitblick. Dr. Kowatsch streckt seiner ehemaligen Kontrahentin, der Kammer, symbolisch „die Versöhnungshand aus“ und lädt zum Dialog ein. Es ist die Geste eines Innovators, der weiß, dass Fortschritt für eine ganze Branche am Ende nur gemeinsam gelingen kann.
