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Mit Daniel Buser im Gespräch

Bei einem Treffen in Bern hat sich das Dental Journal mit Daniel Buser unterhalten und ihn nach seiner Meinung zur aktuellen Zahnmedizin gefragt.

Sie sind vor etwas mehr als einem Jahr als Direktor der Klinik für Oralchirurgie und Stomatologie an den Zahnmedizinischen Klinken der Universität Bern in Pension gegangen. Sind Sie denn aber auch im Ruhestand?

DB: Nein, natürlich nicht! Ich bin einfach anders beschäftigt als früher. So bin ich seit 2016 Verwaltungsratspräsident des Kursaals Bern, mit welchem wir wegen der Pandemie große Probleme haben. Weiter präsidiere ich ja die Implantat Stiftung Schweiz und habe 2019 auf Anfrage der Berner Regierung auch das Präsidium des Verwaltungsrats der «Sitem-Insel» übernommen.

Sitem-Insel, was ist das?

DB: Sitem-Insel ist ein Public-Private Partnership Projekt in Form einer AG, bei welcher unter anderem das Inselspital, die Universität Bern, der Bund, der Kanton Bern und diverse private Firme mit dabei sind mit dem Ziel, die Translation in der Medizin, das heißt die Zusammenarbeit, zu verbessern. In der Sitem-Insel gibt es 32 Plattformen, unter ihnen auch die Zahnmedizin. So haben die Zahnmedizinischen Kliniken (ZMK) der Universität Bern im August 2019 ihre sechs Forschungslaboratorien in das Sitem-Insel Gebäude gezügelt und haben jetzt dort rund 600 m2 top-moderne Installationen mit dem Namen «Dental Research Center», kurz DRC genannt.

Daniel Buser steht als Verwaltungsratspräsident dem Medtech-Innovationsprojekt «Sitem-Insel» in der Schweizer Hauptstadt Bern vor.

Womit wir wieder bei der Zahnmedizin wären. Welche sind Ihrer Meinung die wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung der Implantologie in den, sagen wir mal, letzten zwanzig Jahren?

DB: Die ganz großen Entwicklungen in der zahnmedizinischen Implantologie wurden meiner Meinung in den 1980er und 1990er Jahren gemacht, seit 2000 ist die Digitaltechnik die größte, zusätzliche Entwicklung gewesen. Diese wurde primär durch die digitale Volumentomographie ausgelöst, die eine hochpräzise, digitale Radiologie ermöglichte. Danach sind die intraoralen Scan Devices gekommen, welche die konventionellen Abrücke in gewissen Situationen ersetzen werden. Und der dritte Punkt waren die Softwareprogramme der Industrie, mit denen man die beiden digitalen Datenfiles miteinander verbinden konnte.

Und welches ist heutzutage, aus Ihrer Sicht, die wichtigste Innovation?

DB: Für mich ist die «CAIS», also die «Computer Assisted Implant Chirurgie», der größte Fortschritt, den wir derzeit in der Implantatchirurgie haben. Wir können damit vermehrt «flapless» operieren, das heißt, wir können bei den Patienten in einem gewissen Prozentsatz ohne Aufklappung implantieren, was für diese wesentlich weniger belastend ist. Dies geht allerdings nur, wenn genügend Knochen vorhanden ist, so dass das Implantat auch einwachsen kann.

Stecken in der digitalen Technik auch Gefahren?

DB: Prinzipiell muss die Technik wirklich gut sein. Ein unscharfes DVT Bild, zum Beispiel, ist natürlich eine Katastrophe, denn es schaukelt dem Kliniker eine falsche Sicherheit vor, die man in Wirklichkeit gar nicht hat. Das heißt, der Kliniker muss auch am Computer gut zu arbeiten wissen, etwa beim Matching der Aufnahmen. Klar ist, dass man auf jeden Fall die wichtigsten, chirurgischen Prinzipien kennen und einhalten muss, damit ein Implantat die größtmögliche Chance hat für einen 30-jähriger Langzeiterfolg. Die digitale Technik kann ein fehlendes chirurgisches Talent oder fehlende Erfahrung nicht kompensieren.

Wie meinen Sie das?

DB: Wenn man hundert Patienten hat, so behandelt man diese nicht immer mit der gleichen Methode. Beim ersten Patienten verwendest du ein «Socket Graftig», beim nächsten eine GBR, beim dritten einen Sinus-Lift. Das heißt, dass man als Behandler eben genügend Talent und Erfahrung haben muss, um in genau einer bestimmten Situation die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das macht die Implantologie heute anspruchsvoller für den Zahnarzt, obwohl die einzelne Therapie einfacher ist als vor zwanzig Jahren.

Sie haben von «flappless» gesprochen. Wie funktioniert diese Methode?

DB: Diese Vorgehensweise verwende ich in Bern seit mehr als 15 Jahren, zuerst «brain-guided», seit 2010 mit der Digitaltechnik. In den letzten vier Jahren wurden große Fortschritte gemacht, weshalb der Anteil der «flapless» Chirurgie ständig steigt. Das ist vor allem bei älteren Patienten oder solchen mit medizinischen Risikofaktoren ein Segen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir müssen oft untere 6-er auf Grund von Endo- oder Paroläsionen extrahieren. Bisher hat man diesen Zahn rausgenommen, hat das Ganze zwei bis drei Monate abheilen lassen, dann aufgeklappt, mit simultaner GBR implantiert und nochmals zwei Monate gewartet bis zur prothetischen Versorgung. Heute nimmt man den Zahn ohne Aufklappung raus, macht ein Socket Grafting mit einem geeignet Knochenfüller wie etwa «Bio-Oss Collagen» und lässt das Ganze für vier Monate abheilen. Das «Socket Grafting» reduziert die eintretende Knochenatrophie deutlich, weshalb in den meisten Fällen eine Flapless-Chirurgie mit der CAIS möglich ist.

Flappless-Implantologie erleichtert den Eingriff sowohl für den Behandler wie auch für den Patienten.

Im Sinne der minimalinvasiven Chirurgie ist dieses Vorgehen für den Patienten eine interessante Behandlungsalternative.

DB: Vor allem im Seitenzahnbereich ist «flappless» ideal, denn wenn man einen Molaren oder Premolaren verliert, der nicht sichtbar ist, so ist dies nicht dramatisch. Viele Patienten sind bereit während vier Monaten keinen Zahn zu haben, wenn sie dafür vier Monate später eine viel einfachere und auch kostengünstigere Implantatoperation haben können. Ein wichtiger Aspekt sind dabei auf durchmesser-reduzierte Implantate für den Prämolarnenbereich

Es gibt Stimmen, die behaupten, die Implantologie würde auf Grund des immer besser werdenden Gesundheitszustanden der Patienten verschwinden. Was halten Sie von dieser Theorie?

DB: Es ist absolut richtig, dass mit der besseren Versorgung und der besseren Hygiene die Zahl der Patienten mit eigenen Zähen massiv steigen werden wird, respektive zum Teil schon gestiegen ist. Parallel wird der prozentuale Anteil an Totalprothesen abnehmen. Vor 50 Jahren hatten all unsere Großeltern mit 60 eine Totalprothese. Das hat sich komplett geändert. Heute werden die Menschen in der Schweiz mit ihren eigenen Zähnen viel älter und sie sind in der Regel auch viel fitter und in einem viel besseren Gesundheitszustand. Dazu hat auch die Zahnmedizin dank den Prophylaxebemühungen maßgeblich beigetragen.

Also eine neue Alterszahnmedizin?

DB: An den ZMK Bern behandeln wir rund 800 Patienten im Jahr mit Zahnimplantaten. Dabei haben wir festgestellt, dass der Anteil der über 70- und 80-jährigen bei knapp 25% liegt. Vor 20 Jahren lag dieser Anteil noch unter 10%. Zudem ist der Anteil an Einzelzahnlücken bei rund 50%, weshalb in solchen Situationen das Implantat dazu dient, diese Lücken zu schließen. Mit den heutigen Techniken ist die Implantatlösung nicht nur die bessere Option, sondern auch die kostengünstigere.

 

Ist zwar als Universitätsprofessor in Pension, trotzdem ist Daniel Buser nicht im Ruhestand. Hier anlässlich des 5. Schweizer Implantatkongresses im November 2020.

 

Zurück zur Theorie des Verschwindens der dentalen Implantologie…

DB: Ja, das ist Mumpitz. Das wird in 50 Jahren vielleicht mal so sein. Die heutigen 60+ jährigen Patienten gehören zur Baby Boomer Generation, welche in ihrer Kindheit noch keine Prophylaxeprogramme in der Schule hatten und deshalb in ihrer Kindheit erste Kariesschäden eingefangen haben. Da zähle ich mich auch dazu. Viele dieser Patienten werden in den kommenden zwanzig Jahren einzelne oder mehrere Zähne verlieren, werden aber keine Totalprothese tragen wollen. Dieser Zahnersatz wird heute oft mit Implantaten gelöst.

Wie sehen Sie die Zukunft der Zahnarztpraxen in der Schweiz?

DB: Der Anteil der Frauen im Studium beträgt jetzt rund 65-70%, womit sich die Zahnmedizin zu einem frauendominierten Beruf gewandelt hat. Es ist absehbar, dass viele dieser zukünftigen Zahnärztinnen, wenn sie auch eine familiäre Karriere als Mütter machen, nur 40% oder 60% arbeiten werden. Die Zukunft wird daher in großen Gruppenpraxen liegen, wie dies ja bereits bei den Juristen oder den Medizinern der Fall ist. Der Patient wird in eine Gruppenpraxis gehen, bestehend aus drei oder vier Zahnärztinnen und Zahnärzten, wobei jede und jeder seine Spezialität hat. Gemeinsam teilen sie sich die Praxiskosten und Investitionen, speziell auch im Bereich der Digitaltechnik, und sie lösen gemeinsam auch komplexe Fälle. Ich denke, die Idee der Gruppenpraxen wird in der Schweiz zunehmend an Fahrt aufnehmen.

Damit wir uns richtig verstehen: Gruppenpraxen sind nicht Praxisketten?

DB: Die Zukunft der Zahnmedizin werden nicht die Ketten sein, denn diese weisen oft Wechsel bei den Zahnärzten auf. Die meisten Patienten suchen eine Praxis, in welcher sie eine Vertrauensperson finden, die sich über viele Jahre hinweg um sie kümmert.

Und zum Schluss: Wie stehen Sie zum Thema Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin?

DB: Die KI wird uns vor allem in der Diagnostik helfen, also in der Erkennung von Röntgenbefunden, in der Erkennung von stomatologischen Befunden. In diesen Bereichen wird ja der primäre Effort gemacht. Aber bei der Beurteilung von komplexen Situationen, etwa ob man Zähne behalten kann oder nicht, wie man mit einer Dreifachlücke umgehen soll, braucht es das Fachwissen der Spezialisten. Ich wage zu bezweifeln, dass man Diskussionen zwischen dem chirurgischen Topspezialisten, dem prothetischen Topspezialisten und dem Zahntechniker an die Künstliche Intelligenz delegieren kann. Die Digitaltechnik ist dazu da, das zahnmedizinische Team zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen.

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