StartDigitalisierungDie Rolle von Intraoralscannern in der modernen Zahnarztpraxis

Die Rolle von Intraoralscannern in der modernen Zahnarztpraxis

Die digitale Transformation hat die Zahnmedizin in den letzten Jahren maßgeblich verändert, ein zentraler Aspekt dieser Entwicklung ist der Einzug von Intraoralscannern (IOS) in die tägliche Praxisroutine. Diese Geräte ersetzen zunehmend die konventionelle Abformung mit Löffel und Abformmasse und bieten eine Reihe signifikanter Vorteile, die sowohl den Praxisablauf optimieren als auch das Patientenerlebnis verbessern.

Intraoralscanner erfassen die Anatomie der Mundhöhle mithilfe optischer Verfahren und erstellen in kürzester Zeit ein präzises dreidimensionales digitales Modell. Dieser digitale Workflow eliminiert viele der traditionellen Schritte, die mit physischen Abformungen verbunden sind. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der oft als unangenehm empfundene Würgereiz, der bei konventionellen Abformungen auftreten kann, entfällt, was den Komfort für den Patienten erheblich steigert. Die digitale Datenerfassung beschleunigt den gesamten Prozess, von der Abformung selbst bis zur Übermittlung der Daten an das Dentallabor. Materialkosten für Abformlöffel und -massen können eingespart werden, was nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile mit sich bringt.

Intraoralscanner im Trend

Global wird der Markt für Intraoralscanner auf über 1,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 geschätzt. Prognosen gehen von einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von etwa 9,9% aus, was zu einem erwarteten Marktvolumen von über 2,2 Milliarden US-Dollar bis 2031 führen könnte. Diese Zahlen unterstreichen die zunehmende Bedeutung und Verbreitung dieser Technologie in Zahnarztpraxen weltweit. Der Wettbewerb zwischen den Herstellern ist intensiv, was zu einer ständigen Weiterentwicklung der Produkte und einer breiteren Auswahl für Anwender führt. Viele Hersteller bieten mittlerweile kabellose Versionen ihrer Scanner an, die eine größere Bewegungsfreiheit und verbesserte Ergonomie während des Scanvorgangs ermöglichen. Interessanterweise gibt es jedoch auch einen Gegentrend, bei dem verschiedene High-End-Modelle bewusst auf eine Kabelverbindung setzen, um das Gewicht und die Größe des Handstücks weiter zu optimieren. Auch ist ein klarer Trend geht zu leichteren, kleineren und ergonomischer geformten Handstücken zu erkennen, um so die Handhabung für den Anwender zu erleichtern und Ermüdungserscheinungen bei längeren Scanvorgängen zu reduzieren.

Technologische Entwicklung

Die Leistung der zahnmedizinischen Intraoralscanner wird kontinuierlich verbessert, neuere Modelle ermöglichen oft noch schnellere Scans und eine höhere Detailgenauigkeit. Zudem werden die Scanner zunehmend zu multifunktionalen Geräten, in dem neben der reinen 3D-Abformung etwa auch eine digitale Farbmessung zur Bestimmung der Zahnfarbe, Technologien zur Kariesdetektion mittels Nahinfrarotlicht (NIRI) oder Fluoreszenz sowie Funktionen einer intraoralen Kamera zur Dokumentation eingegliedert werden. Integriert werden auch laufend neue KI-Algorithmen, um etwa die Scanqualität zu verbessern, indem beispielsweise Artefakte oder bewegliches Weichgewebe wie die Zunge oder die Wangen automatisch entfernt werden. Die Künstliche Intelligenz unterstützt auch die Scanführung, die automatische Erkennung von Präparationsgrenzen oder Scanbodies bei Implantaten und erweitert die diagnostischen Möglichkeiten, etwa durch Kariesdetektion. An Bedeutung gewinnen auch die Cloud-Plattformen verschiedenster Anbieter. Diese dienen der zentralen Datenspeicherung, vereinfachen den Datenaustausch mit Laboren und Partnern, ermöglichen Kollaboration und bieten Zugriff auf cloud-basierte Anwendungen und Dienstleistungen. Aus diesen Trends ergeben sich wichtige Implikationen für die Praxis. Die Integration von diagnostischen Funktionen wie der Kariesdetektion direkt in den Scanner verändert die Rolle des IOS. Er wird von einem reinen Abformgerät zu einem multifunktionalen Werkzeug, das diagnostische Informationen während des Scanvorgangs liefert. Dies kann potenziell Workflows optimieren, indem Diagnostik und Behandlungsplanung enger verknüpft werden und eventuell separate diagnostische Schritte reduziert werden. Der Wert eines Scanners wird somit zunehmend auch an seinen diagnostischen Zusatzfähigkeiten gemessen.

Beratungsgespräch mit Patientin nach IOS Scan

Die Genauigkeit von Intraoralscannern

Die Genauigkeit ist eines der wichtigsten Kriterien bei der Bewertung von Intraoralscannern, da sie die Passgenauigkeit des finalen Zahnersatzes maßgeblich beeinflusst. Die Genauigkeit wird üblicherweise anhand von zwei Parametern beschrieben:

Trueness (Richtigkeit): Beschreibt, wie nah die Messung des Scanners am tatsächlichen, wahren Wert des gescannten Objekts liegt. Sie gibt an, wie „wahrheitsgetreu“ der Scan ist.

Precision (Präzision): Beschreibt die Reproduzierbarkeit der Messungen, also wie nah wiederholte Scans desselben Objekts unter gleichen Bedingungen beieinander liegen.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben die Genauigkeit von Intraoralscannern im Vergleich zur traditionellen Abformung mit Löffel und Abformmaterialien evaluiert. Ein Großteil der Studien kommt zu dem Schluss, dass moderne IOS eine vergleichbare oder sogar höhere Genauigkeit als konventionelle Methoden erreichen können, insbesondere bei Restaurationen mit kleinerer Spanne, wie Einzelkronen oder Brücken bis zu etwa vier Gliedern. Die digitale Abformung wird sogar als die genaueste verfügbare Methode bezeichnet, deren Ergebnisse messbar und reproduzierbar sind. Bei komplexeren und umfangreicheren Situationen wie der Abformung ganzer Kiefer (Full-Arch), insbesondere bei Implantatversorgungen oder für herausnehmbaren Zahnersatz, war die konventionelle Abformung lange Zeit als überlegen angesehen. Dies lag vor allem an potenziellen Stitching-Fehlern (Fehler beim Zusammenfügen der Einzelbilder), die sich über die längere Scandistanz akkumulieren können. Allerdings haben die kontinuierlichen Verbesserungen bei Hard- und Software dazu geführt, dass auch neuere Scannergenerationen bei Full-Arch-Scans hohe Genauigkeitswerte erzielen können, die oft als klinisch akzeptabel gelten.

Auswahlkriterien für die Zahnarztpraxis: Welches ist der richtige Scanner?

Die Entscheidung für einen bestimmten Intraoralscanner sollte auf einer sorgfältigen Analyse der spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten der eigenen Praxis basieren. Es gibt nicht den einen „besten“ Scanner für alle, sondern vielmehr den am besten passenden Scanner für den individuellen Anwender und Workflow. Folgende Hauptanwendungsbereiche sollten als Kriterien bei der Auswahl berücksichtigt werden…

Kieferorthopädie (KFO): Praxen, die schwerpunktmäßig kieferorthopädisch tätig sind und insbesondere mit dem Invisalign-System arbeiten, bevorzugen häufig Scanner mit einer tiefen und exklusiven Integration. Grundsätzlich können aber auch andere Scanner mit entsprechenden KFO-Modulen oder offenem Datenexport für Aligner-Therapien genutzt werden.

Restaurative Zahnheilkunde: Für die Herstellung von Kronen, Brücken, Inlays oder Veneers liefern alle modernen Intraoralscanner in der Regel eine ausreichende Genauigkeit. Praxen, die einen Chairside-Workflow anstreben setzen auch Marken und Modelle, welche die Chairside-Anwendungen in Kombination mit einer entsprechenden Fräs- oder Druckeinheit ermöglichen.

Implantologie: Diese Indikation stellt hohe Anforderungen an die Genauigkeit, insbesondere bei der Abformung von Ganzkieferversorgungen auf Implantaten. Hier können Scanner punkten, die in Studien eine hohe Full-Arch-Genauigkeit bewiesen haben oder über spezielle Technologien zur Verbesserung der Genauigkeit verfügen.

Diagnostik: Wenn ein Schwerpunkt auf der Kariesfrüherkennung liegt oder der Scanner auch als diagnostisches Hilfsmittel genutzt werden soll, sind Modelle mit integrierter Kariesdetektionstechnologie eine Überlegung wert.

Vertiefende, kostenlose Information
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Zukünftige Entwicklungen im IOS-Markt

Der Markt für Intraoralscanner ist weiterhin von hoher Innovationsdynamik geprägt. Es zeichnen sich mehrere Trends ab, die die Technologie und ihre Anwendung in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden:

Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz: Die KI wird eine noch zentralere Rolle spielen. Dies betrifft nicht nur die Verbesserung der Scanqualität und -führung, sondern verstärkt auch diagnostische Anwendungen (automatisierte Befundung, Risikoanalyse), die Behandlungsplanung (automatisierte Vorschläge) und sogar die Automatisierung nachgelagerter Prozesse wie das CAD-Design von Restaurationen.

Ausbau Cloud-basierter Lösungen:  Die Bedeutung von Cloud-Plattformen wird weiter zunehmen. Es ist zu erwarten, dass Hersteller ihre Cloud-Ökosysteme mit zusätzlichen Funktionen für Kollaboration, Datenmanagement, KI-gestützten Analysen und integrierten Services ausbauen.4 Ob sich der Trend zum rein Cloud-nativen Scannen durchsetzen wird, bleibt abzuwarten, aber die Verlagerung von Rechenleistung und Software-Intelligenz in die Cloud wird wahrscheinlich fortschreiten.

Miniaturisierung und Ergonomie: Der Trend zu kleineren, leichteren und ergonomischeren Handstücken wird sich fortsetzen, um die Handhabung weiter zu verbessern und die Akzeptanz bei Anwendern und Patienten zu erhöhen,

Genauigkeit und Geschwindigkeit: Obwohl bereits ein hohes Niveau erreicht ist, werden Hersteller weiterhin an der Verbesserung der Scan-Algorithmen und der Hardware arbeiten, um die Genauigkeit und Geschwindigkeit weiter zu steigern. Ein Fokus wird dabei auf der Bewältigung schwieriger klinischer Situationen liegen, wie dem Scannen von Ganzkiefern (insbesondere zahnlos), metallischen Oberflächen oder tiefen Präparationen.

Integration weiterer Sensoren: Denkbar ist die Integration zusätzlicher Sensoren in das Handstück, die über die reine 3D-Geometrieerfassung und Kariesdetektion hinausgehen und beispielsweise Informationen über die Vitalität von Zähnen, die Durchblutung der Gingiva oder Oberflächentemperaturen liefern könnten.

Marktkonsolidierung vs. neue Player: Der Wettbewerb bleibt intensiv. Etablierte Anbieter stehen unter Druck durch neue, oft preisaggressive Wettbewerber, insbesondere aus Asien. Gleichzeitig finden Übernahmen statt, bei denen größere Dentalunternehmen Scanner-Hersteller oder deren Technologien akquirieren, was zu einer weiteren Konsolidierung führen könnte.

Hier geht es weiter zum 2. Teil, dem Interview mit drei IOS Experten

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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