Die Österreichische Zahnärztekammer hat ein richtungsweisendes Urteil gegen Bleaching in Kosmetikstudios erwirkt.
Die Anwendung und Einstufung von Mitteln zum Aufhellen von Zähnen wurde im Jahr 2011 in einer EU-Direktive neu geregelt, seit dem 01.11.2012 gilt die neue Rechtslage. Demnach sind diese Mittel mit einem H2O2-Gehalt von 0,1% bis 6% nun als Kosmetikprodukte definiert, die jedoch nur an den Zahnarzt abgegeben werden dürfen – er ist der Fachmann, der die ärztliche Diagnose stellen kann und zumindest die erste Anwendung in der Praxis durchzuführen hat. Für den weiteren Einsatz (zum sog. „Home-Bleaching“) dürfen die Mittel dem Patienten mitgegeben werden. So weit so gut, es schien klar: Bleaching gehört in die zahnärztliche Praxis. Dennoch bieten zahlreiche Kosmetikstudios Bleaching an. Wie das geht? Sie haben eine Lücke in der Formulierung der Direktive entdeckt: „Bleichmittel, die einem H2O2-Anteil von 0,1% bis 6% enthalten oder ihn freisetzen…“ Und genau hier liegt die Ursache begraben: mit der Festlegung auf H2O2 wurde eine Hintertür für die Verwendung anderer Chemie offen gelassen und so der Sinn der Verordnung gefährdet. Selbst in einer Stellungnahme der Deutschen Bundeszahnärztekammer von September 2012 heißt es: „Bleachingmittel mit einer asserstoffperoxidkonzentration unter 0,1 % sind weiterhin frei verkäuflich und können ohne Mitwirkung eines Zahnarztes angewandt werden.“
Der Schluss der Kosmetikstudios: Ein Gehalt von unter 0,1% H2O2 ist natürlich zu gering für eine Wirkung – aber werden an Stelle von H2O2 andere Wirkstoffe eingesetzt, die ebenfalls eine gewisse Bleichwirkung entfalten, entsprechen sie Mundpflegemitteln und unterliegen nicht dem zahnärztlichen Vorbehalt.
Ob das so rechtens sei, wollte die Österreichische Zahnärztekammer genauer wissen und strengte ein gerichtliches Verfahren gegen ein entsprechend agierendes Kosmetikstudio an. Der Oberste Gerichtshof hat nun diese Hintertür mit exzellenter medizinischer Begründung zugeschlagen, die selbst im internationalen Vergleich seinesgleichen sucht.
Schwieriges Verfahren
Der Weg dorthin war nicht einfach, denn die ÖZÄK hat den Prozess erstinstanzlich verloren. Die Begründung: „Das verwendete Produkt enthalte kein Wasserstoffperoxid und sei daher als Mundpflegemittel einzustufen, dessen Verwendung nicht unter den Zahnärztevorbehalt falle.“ Das wollte und konnte die Kammer nicht akzeptieren, hat entsprechende Rechtsmittel eingelegt und den OGH angerufen. Dieser hat dann im Rekurs für die Klage entschieden – dies mit Begründungen, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. Die Argumentation der Beklagten, wonach sie ein Gel ohne Wasserstoffperoxyd verwende und somit der zahnärztliche Vorbehalt nicht greife, erschien dem OGH schon aus dem Grund, dass die Beklagte selbst auf ihrer Homepage auf mögliche Kontraindikationen hinweise, als nicht haltbar. Hier einige Auszüge aus der ausführlichen Begründung:
Zahnärzten sei nach § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG „die Vornahme von kosmetischen und ästhetischen Eingriffen an den Zähnen, sofern diese eine zahnärztliche Untersuchung und Diagnose erfordern“ vorbehalten…. Auch wenn Zahnverfärbungen unterschiedliche Ursachen haben könnten… und daher nicht in jedem Fall als Krankheit einzustufen seien, müsse doch die Entscheidung, welche Ursache die Verfärbung habe, dem Arzt vorbehalten bleiben. Die Beseitigung von Verfärbungen berge bei unterbliebener Ursachenabklärung die Gefahr, dass behandlungsbedürftige Zahnerkrankungen unerkannt blieben. Das ergebe sich schon aus den Warnhinweisen der Beklagten, wonach eine Behandlung bei Zahnfleischerkrankungen und unbehandelter Karies nicht durchgeführt werden könne. Weder der Kunde noch die Mitarbeiter der Beklagten seien in der Lage, das Vorliegen solcher Erkrankungen zu diagnostizieren. Unter diesen Umständen sei die Dienstleistung der Beklagten auch bei Verwendung eines Mittels, das kein Wasserstoffperoxyd enthalte, den Angehörigen des zahnärztlichen Berufs vorbehalten.
In der rechtlichen Beurteilung findet sich unter anderem folgende Passage:
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Website der Beklagten, dass bei der Behandlung eine „photochemische Reaktion“ stattfindet und die Behandlung ua bei Erkrankungen des Zahnfleisches und bei unbehandelter Karies nicht durchgeführt werden darf. Damit ist der Tatbestand von § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erfüllt: Zum einen geht eine photochemische Reaktion… über die von der Beklagten behauptete Anwendung eines Mundpflegemittels hinaus und ist daher jedenfalls als „Eingriff“ iSv § 4 Abs 3 Z 4a ZÄG zu werten. Dass das von der Beklagten verwendete Mittel – anders als Wasserstoffperoxyd – als solches unbedenklich sein mag, kann daran nichts ändern…
Einstweilige Verfügung
Der OGH folgte somit dem Antrag der Klägerin, der Beklagten per einstweiliger Verfügung zu untersagen, „zahnärztliche Tätigkeiten wie Bleaching, sei es auch mit dem Zusatz „kosmetisches Zahnbleaching“ oder mit sinngemäß gleichen Aussagen, anzukündigen und/oder auszuführen.“
Wie geht es weiter?
Eine einstweilige Verfügung dient der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung. Die ÖZÄK wird daher in weiteren rechtlichen Schritten das Ziel verfolgen, das Erkenntnis des OGH auch in der Auseinandersetzung um die Sache selbst umzusetzen, wobei mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die befassten Richter den OGH-Begründungen folgen.
Dann gilt zweifelsfrei: Die Zahnaufhellung gehört ausschließlich in die Hand des Zahnarztes!
Bleaching-Mittel über 6% H2O2?
Die EU Kosmetik-Direktive erfasst Bleaching-Mittel bis 6% H2O2, darüber hinausgehende Konzentrationen wurden nicht erwähnt. Dies ist insofern logisch, weil die Direktive ausschließlich Kosmetika betrifft. Trotzdem entstand ein EU-weiter Meinungsstreit, wie mit Mitteln mit mehr als 6% H2O2 zu verfahren sei:a) Bleaching-Mittel mit mehr als 6% H2O2 fallen nicht in die Gruppe der Kosmetikprodukte, sondern sind wie bisher als zugelassene Medizinprodukte weiter anwendbar
oderb) Die Nichterwähnung von Bleaching-Mitteln mit mehr als 6% H2O2 im Gesetz lässt den Schluss zu, dass diese nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
In den meisten EU-Ländern folgt man Punkt a) – dies ist auch insofern schlüssig, als diese Mittel durch ihre höheren Konzentrationen und intensiverer Wirkung bei medizinischen Indikationen – Verfärbungen, die vor allem von innen in den Zahn gelangt sind, wie z.B. durch Erkrankungen, Unfälle, Medikamenteneinnahme – indiziert sind. Mit ihnen kann man deutlich erfolgversprechender und schneller behandeln. Ein Sicherheits-Risiko entsteht daraus nicht, da diese Medizinprodukte in jedem Fall nur in der Zahnarztpraxis eingesetzt werden.