Dienstag, Juli 16, 2024
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Moderne Implantologie – der Patient im Fokus

image4von Dr. Gregor Ley

Ich liebe es, mir falsche Zähne in den Mund zu tun, weil es für die kolossalste Veränderung im Gesicht sorgt. Zähne sind so markant, und mit falschen Zähnen verändert sich auch die Akustik im Mundraum.  Hape Kerkeling bringt es mal wieder auf den Punkt, wie so oft in seinen unvergessen Szenen mit klappernder Prothese als Horst Schlämmer. Doch wie kann man genau dies vermeiden: Die Ästhetik und Phonetik des Patienten ungewollt zu verändern?

Moderne Implantologie – der Patient im Fokuswar demnach auch das Motto der Veranstaltung am 3. & 4. Juni in der Akademie für orale Implantologie in Wien.

Am Anfang jeder Behandlung steht zunächst einmal eine ausführliche Befundung, wie Dr. Rudolf Fürhauser ausführlich erläuterte.

Die Patientin oder der Patient werden nach ihrem ästhetischen Anspruch gefragt und um eine Einstufung auf einer Skala von 1-10 gebeten.

image3Die Lachlinie wird bestimmt. Bei einer hohen Lachlinie mit viel sichtbarer Gingiva ist eine erfolgreiche, ästhetische Versorgung ungleich schwerer zu erreichen als bei einer niedrigen Lippenlinie. Weitere Gesichtspunkte sind die Zahnstellung sowohl aus ästhetischer als auch aus funktioneller Sicht sowie die Mittellinie und das Zahnbreitenverhältnis. Bei Betrachtung des Weichgewebes werden bukkale Defizite und der Gingivatyp (dünn/intermed/dick) festgehalten.

Ein tolles Hilfsmittel ist ein kurzes Sprachvideo, bei dem der Patient die Zahlen 20-29 durchzählt. Hiermit kann nach der erfolgten, prothetischen Versorgung die ehemalige Phonetik mit der neuen Aussprache verglichen werden. Oftmals haben die Patienten durch das neue Gefühl im Mund den Eindruck, dass sie sich anders anhören würden – ohne dass eine tatsächliche Veränderung stattfand. Überhaupt gilt es, die Patientenerwartungen abzuklopfen und auf ein realistisches Maß zu bringen. Jeder kennt die Geschichte des Bauern, der seine Hand in eine Hexlermaschine steckte und die zerfetzte Hand dem Operateur mit der Frage Werde ich nach der OP Klavier spielen können?entgegenstreckt. Nachdem der Arzt dies bejaht, freut sich der Bauer sehr. Toll!!!! Das wollte ich schon immer können!

Soviel zu den Ängsten der Zahnärzte vor zu hohen Erwartungen. Doch auch Patienten haben Ängste. Eine Studie ergab: Besonders die Angst vor dem Unglücklichsein über das neue Lächeln und vor einer unechtenOptik der Versorgung beschäftigt die Patienten. Und auch die Angst, dass der Zahnarzt bei Unzufriedenheit keine Kulanz bei einer Neuanfertigung der Arbeit gewährt, ist groß.

Und in vielen Fällen ist auch der Leidensdruck der Patienten enorm. Eine Studie hat ergeben, dass der Verlust von 8 Zähnen den gleichen negativen Einfluss auf die Lebensqualität hat wie eine chronische Nierenerkrankung oder gar eine Tumorerkrankung. Grund genug, die Wünsche und Zweifel dieser Menschen ernst zu nehmen.

image1Zwei Live-OPs verbanden die besprochene Theorie mit der Praxis.

Die erste Patientin wurde im Frontzahnbereich nach der Extraktion eines zentralen Schneidezahns mit einem Sofortimplantat der Firma NobelBiocare versorgt. Besonders wichtig ist in diesem Fall eine atraumatische Extraktion, die Schonung der bukkalen Lamelle spielt die entscheidende Rolle für den Erhalt des Weichgewebes und eine erfolgreiche Sofortversorgung. Die Luxation sollte bei Frontzähnen nach mesial und distal erfolgen, niemals nach bukkal. Spezielle Periotome erlauben es, den Spalt zwischen Zahn und Knochen langsam zu weiten und so den Zahn zu lockern. Kann der Zahn auf diese Weise nicht entfernt werden, ist die Teilung des Zahnes in bukko-palatinaler Richtung eine weitere Option. Ebenso wichtig ist die korrekte Angulation und Positionierung der wurzelförmigen Titanschraube bei der anschließenden Implantation – stimmen diese Faktoren nicht mit der geplanten Zahnachse überein, kann dies zu unlösbaren, ästhetischen Problemen führen. Dies klingt einfacher als es tatsächlich ist. Denn der Bohrer rutscht oftmals automatisch in Richtung der Extraktionsalveole ab und verfälscht die geplante Achse des Implantates, im schlimmsten Fall kommt es zu einer Fenestrierung des bukkalen Knochens. Spezielle Ankörnungsbohrer des Implantatherstellers können dies mittlerweile jedoch erfolgreich verhindern.

Der Insertion des Implantates schlossen sich zwei digitale Abformungen an. Eine erste ohne Scanbody, um das Emergenzprofil und die Weichgewebssituation möglichst genau erfassen zu können. Anschließend eine zweite mit Scanbody. Nach dem Matchen der Abformungen wurden die Informationen an das Labor geschickt. Drei Stunden später wurde bereits das definitive Abutment mit einer provisorischen Krone eingesetzt.

Auch der zweite Eingriff wurde via Live-Übertragung aus dem OP betrachtet und kommentiert. Der Extraktion mehrere Zähne im Oberkiefer folgte die Sofortimplantation von 6 Implantaten, wovon das distalste sowohl im ersten als auch zweiten Quadranten mit einer Angulation von 35 Grad entsprechend dem All-on-6-Konzept gesetzt wurden. Die Hauptanliegen des Patienten waren klar definiert: festsitzende Versorgung, Ästhetik, Sicherheit. Demnach wurden der Kiefer und die Implantate auch bei dieser OP digital abgeformt und wenige Stunden nach dem Eingriff wurde der Patient mit einem auf den Implantaten verankerten Provisorium nach Hause geschickt.

image5Und was konnten die Teilnehmer mit nach Hause nehmen?

Zum einen die Erkenntnis, dass die Sofortimplantation eine ausgezeichnete Methode im Rahmen der implantologischen Rehabilitation ist. Dennoch sollte jedem bewusst sein, dass die Verlustwahrscheinlichkeit im ersten Jahr um 4-6% höher gegenüber der konventionellen Implantation ist.

Zum anderen die Einsicht, dass die Sofortversorgung vor allem für den Erhalt der Ästhetik wichtig ist und augmentative Verfahren überflüssig machen kann.

Sorgfältig geplant und richtig durchgeführt ist dies ein Konzept, dass sowohl dem Patienten und dem Zahnarzt unnötige Behandlungszeit erspart und für große Zufriedenheit auf beiden Seiten sorgen kann.

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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