Parodontologische Fragestellungen nehmen einen immer größeren Raum in der Zahnmedizin ein. Dies liegt an der großen Verbreitung der Parodontalerkrankungen und dem insgesamt längeren Zahnerhalt. Eine viel größere Bedeutung als früher erhält die Parodontaltherapie zudem durch das neue Wissen um die Bedeutung für den gesamten Organismus.
Das nahm das ZAFI zum Anlass Ende September die Fortbildung „Update Prophylaxe“ mit dem Schwerpunkt Parodontologie zu veranstalten. Das Besondere diesmal: Die gesamte Veranstaltung fand auf der Donau an Bord der MS Admiral Tegetthoff statt. Rund 70 Assistentinnen, Zahnärzte bzw. komplette Teams meldeten sich für das Thema „Update Parodontologie“ an. Nach kurzer Eröffnung durch Dr. Bettina Schreder, Fortbildungsreferentin der Landeszahnärztekammer für Wien, kam Referentin Prof. Petra Ratka-Krüger vom Universitätsklinikum Freiburg gleich Thema: „Epidemiologie Parodontits“. Die globale Belastung schwerer Parodontitis ist laut einer Studie zwischen 1990 und 2013 um 67% angestiegen. Dennoch wird sie im Alltag ihren Erfahrungen nach, immer noch zu oft übersehen. Immerhin sind Karies und Parodontitis nach wie vor die häufigsten Gründe für Zahnverlust. Ein besonders krasser Fall war das Fallbeispiel einer 16-jährigen Patientin – mit auf den ersten Blick gesundem Zahnfleisch – die an aggressiver Parodontis (NEU: lokalisierte Parodontitis Stadium IV, Grad C mit Molaren-Inzisivi-Muster) litt. Solche dramatischen Fälle sind zumeist genetisch bedingt, können aber bei korrekter Behandlung und entsprechender Patientenkompliance sehr gut in den Griff bekommen werden, wie sie mit späteren Fotos zeigte. Prof. Ratka-Krüger:
„Zahnärzte sind ein großes Risiko für Zahnverluste, da oft unterschätzt wird, welche Zähne noch erhalten werden können“.
Genetik, Mikrobiologie, Verhalten (Rauchen, Mundhygiene, Ernährung), Psychosoziale Faktoren wie Streß, sowie Systemische Faktoren & Medikamente (Alter, Diabetes, Schwangerschaft, Adipositas). Der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor ist das Rauchen (Effekte auf Immunantwort und Gefäße), gefolgt von der Ernährung und Stress. Niedrige Spiegel an Omega-3 Fettsäuren korrelieren mit stärkerer Parodontitis und es gibt positiven Einfluß von Vitamin C, Calzium, Magnesium und Vitamin D auf das Parodont wie diverse Studien zeigen. Wichtig ist auch, dass Diabetes mellitus Patienten gut eingestellt sind um den Erfolg der Therapie günstig zu beeinflussen. Das Bemerkenswerte dabei: Es gibt auch einen messbaren Einfluß von Parodontitis auf den allgemeinen Gesundheitszustand. Daher könnte auch eine Diabetes durch Parodontitis negativ beeinflusst werden.
Empfehlung: Bei jedem Patienten über 8 Jahre sollte ein Parodontales Screening (PSI) durchgeführt werden. Nur durch eine gezielte Diagnostik zu Behandlungsbeginn können Parodontalerkrankungen rechtzeitig erkannt und therapiert werden. Nach kurzer Schleusendurchfahrt beim Kraftwerk Greifenstein ging es im zweiten Vortrag um die letztes Jahr in Amsterdam verabschiedete neue Klassifikation der Parodontalerkrankungen bzw. Parodontitis. Das an und für sich sehr trockene Thema wurde mit vielen Fotos und Tabellen sehr anschaulich dargestellt.
Take-Home Message zur neuen Einteilung: Parodontale Gesundheit wurde neu definiert. Parodontitis wird nun durch Staging und Grading definiert. Es entfällt die Unterteilung in chronische und aggressive Parodontitis. Rezessionen werden nun nach Cairo (Typ 1-3) bewertet. Periimplantäre Gesundheit/Erkrankungen wurde ebenfalls neu definiert. Weiter ging es mit dem Behandlungskonzept, wobei sie besonderen Wert auf die Motivation der Patienten und das Patientengespräch legte.
Nach dem Mittagsbuffet folgten Vorträge über verschiedene Indices (wie etwa der BUP), unterschiedliche Therapieansätze bin hin zur kompletten Behandlung im Rahmen der Erhaltungstherapie und einen richtig durchgeführten Recall. Anschliessend behandelte sie die Effizienz nicht-chirurgischer und chirurgischer Parodontaltherapien und ging dabei auch auf die nicht ganz einfache Plastische Parodontalchirurgie ein, wie etwa einer Rezessionsabdeckung. Zu guter Letzt ging sie auf die zunehmende Periimplantitis ein, die man an Blutungen, erhöhten Sondierungstiefen und messbarem Knochenabbau erkennt und gegenüber einer Parodontitis nochmal problematischer ist. Warum? Weil ein Implantat über eine geringere Vaskularisierung verfügt. Je weniger Blutgefäße, umso weniger hat der Körper die Möglichkeiten einzugreifen. Auch der fehlende Desmodonalspalt und der direkte Knochenkontakt wirken sich negativ aus. Nicht-chirurgische Therapiemöglichkeit gibt es mittels Er:YAG Laser und Luft-Pulver-Wasserstrahlung in Kombination mit Antibiotikatherapien. Wenn das nichts hilft, dann sollte möglichst zeitnah chirurgisch eingegriffen werden. Für so manche überraschend: Prof. Ratka-Krüger erwähnte in diesem Zusammenhang Studien, dass selbst parodontal massiv geschädigte Zähne im eine grössere Überlebenschanche haben als ein Implantat.
Gegen 16.00 legte die Admiral Tegetthoff in Nussdorf an und es erfolgte der Transfer zum „Heurigen-Maly“ in Grinzing zum gemütlichen Ausklang. Begleitet war die Veranstaltung von einer kleinen Fachausstellung an Bord, darunter Firmen wie Pluradent Austria, Ultradent Products, Dürr Dental, Hager &Werken, Loser & Co., Straumann und Wrigley und war während der Vortragspausen gut besucht.
Resumée: Prof. Petra Ratka-Krüger verstand es die Themen sehr anschaulich und klar aufzubereiten und sich auf die wesentlichen Handlungsempfehlungen in der Praxis zu konzentrieren. Alle, die diese hervorragenden und praxisrelevanten Vorträge verpasst haben, sollten bei zukünftigen Vorträgen auf jeden Fall mit dabei sein. Auf jeden Fall eine klare Empfehlung der Spezialistin.