Im Interview mit Zahnarzt Dr. Marcus Riedl und Susanne Schmidinger von Dentsply Sirona
Wie Design Funktionalität in Szene setzt
Von Alexandra Kalmar
Im Zuge der diesjährigen IDS hatte ich Gelegenheit, mit Dr. Marcus Riedl, Zahnarzt in Stein bei Nürnberg, und Frau Susanne Schmidinger, Marketingleiterin bei Sirona, über ein außergewöhnliches Praxiskonzept zu sprechen.
Marcus Riedl hat seine Praxis vor vier Jahren neu gestaltet und mit Sironas Trendline „honest materials“ ausgestattet. Es entstand für die Patienten und sein Team eine Wohlfühl-Praxis mit viel Holz, Steinen und Mountainlodge Flair.
Sehr geehrter Herr Dr. Riedl, viele Patienten würden sagen, eine Zahnarztpraxis hat in erster Linie eine funktionale Aufgabe. Warum haben Sie Ihren Arbeitsplatz auf sehr außergewöhnliche Weise eingerichtet?
Dr. Riedl: Das stimmt. Wenn man unsere Praxis betritt, sieht man zuerst Bäume. Dieser Überraschungseffekt ist ganz bewusst gesetzt worden. Der Patient soll erst mal rein- und vor allem runterkommen, wenn er die Praxis betritt. In unseren alten Räumlichkeiten kam der Patient zur Tür rein und konnte fast direkt auf den Behandlungsstuhl sehen. Das wirkte wie Abfertigung – dabei nehmen wir uns für unsere Patienten gern Zeit und bieten viel Service.
Kann man Werte wie „Patienten-/Kundenorientierung“, „sich Zeit nehmen“ und „viel Service bieten“ wirklich inszenieren?
Dr. Riedl: Rückblickend kann ich sagen, ja das geht. Der neue Eingangsbereich wurde deshalb im Stil eines Hotelfoyers gestaltet. Ganz bewusst haben wir die Behandlungsebene erst im ersten Stock geplant, im Erdgeschoß befindet sich also nur die Anmeldung und Verwaltung. Durch die Designserie „honest materials“ konnte dieses Konzept ganz besonders inszeniert werden. Mit viel Holz, Felsen und Glas erscheint die Praxis im Stil einer Alpenhütte – ohne dabei zu kitschig zu wirken.
Was fasziniert Sie so sehr an der Designlinie „honest materials“?
Dr. Riedl: Zugegeben, das Design outet mich als Bergfan. In der Zusammenarbeit mit meinem Stuttgarter Innenarchitekten kamen wir in einem ersten Gespräch genau auf diese Vorliebe und so auf das Naturthema für die Praxis. Dieses zieht sich konsequent durch die gesamte Praxis hindurch – die Bäume im Eingangsbereich oder der polygonale Felsen als Herzstück der Praxis. Die Behandlungsebene gestaltet sich dann etwas cleaner, jedoch lässt sich mit einigen Details wie einem Geweih an der Wand oder einem Ziegenfellhocker als Röntgensessel auch hier der rote Faden durchs ganze Stockwerk verfolgen.
Dr. Riedl: Ja, ohne Licht wirkt nix. Das Lichtdesign ist großartig, im Felsen verläuft zum Beispiel eine indirekte Beleuchtung, welche eine tolle Stimmung erzeugt. Unser Lichtdesigner hat unser Budget zwar gewaltig gesprengt, aber wir fühlen uns wohl.
Wie erleben Patienten Ihre Praxis, wie nehmen sie Ihren Behandlungsraum wahr und welchen Eindruck hinterlässt der Besuch in Riedls Bergwelt?
Dr. Riedl: Es funktioniert tatsächlich – das Prinzip „Reinkommen und Stress abbauen“ gelingt in unserer Praxis mit Mountainlodge-Charakter. Aber nicht nur wegen der Optik. Zur großen Überraschung vieler Branchen(Alles)kenner habe ich zum Beispiel konsequenter Weise an der Rezeption drei Hotelfachleute angestellt. Ich brauche hier kein medizinisches Fachpersonal, ich brauche jemand, bei dem der Servicegedanke fest verankert ist. Der Patient ist der Mittelpunkt, er soll sich wohlfühlen ohne dass es „too much“ wird. Bei uns werden die Patienten auch nicht aufgerufen, sondern jeder Patient wird abgeholt. Das einladende Design und die Freundlichkeit der Mitarbeiter nimmt dem Patienten auch den ersten Druck, er kann sich entspannen.
OK, aber wie reagieren Patienten auf Ihre Praxis mit Mountainlodge-Charakter. Was sagen die Ihnen?
Dr. Riedl: Ich behandle den Sozialhilfeempfänger natürlich genauso wie den Manager. Wie überall gibt es verschiedenen Meinungen. Leute die genauso ticken wie wir, sind begeistert und andere fragen sich nach der Notwendigkeit einer so außergewöhnlichen Gestaltung. Jetzt wissen sie, wo ihr Geld steckt, ist die Einstellung der dritten Gruppe. Eines haben wir aber gelernt: Es war nicht die Grundintention, aber durch den Charakter, den Auftritt und die Optik selektiert man automatisch gewisse Patientengruppen. Das hatte ich so nicht erwartet. Heute habe ich aber viel mehr Patienten, die unser Engagement zu schätzen wissen – und auch bezahlen.
Das heißt, dass Ihre Praxiseinrichtung auch Ihre eigene Arbeit beeinflusst? Und Was macht dieses Design mit Ihnen, mit Ihrer Arbeit, mit Ihrem Befinden?
Dr. Riedl: Mir – und noch wichtiger meinem Team – tut meine Praxis gut. Wir verbringen ja fast unser halbes Leben in unserer Praxis, weshalb ich meinen Arbeitsplatz auch ähnlich wie mein Zuhause gestaltet habe. Natürlich fühlt man sich dadurch wohler, was man bei seiner Arbeit dann auch ausstrahlt. Mein Team und ich sind stolz, in so einem Umfeld zu arbeiten.
Die Praxis auf eine bestimmte Art und Weise einzurichten, ist die eine Seite, die Behandlungseinheit hier stilvoll und funktionell einzubetten, eine andere. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Praxisdesign und Behandlungseinheit?
Dr. Riedl: Ich sehe hier eher den Cut, genauso wie der Cut zwischen Talstation (Erdgeschoß) und Mittelstation (Behandlungsebene). Unten finden Sie eher den Hotelcharakter, in den Behandlungsräumen sehen wir dann aber die doch sehr puristische Einheit. Weiße Einheiten mit dunkelgrauen Polstern, schwarzweiße Bilder – das vermittelt dem Patienten das Gefühl von Professionalität und „Hightech“.
Inwiefern erfüllt die von Ihnen gewählte Behandlungseinheit Ihre Anforderungen Design und Funktion?
Dr. Riedl: Viele glatte Flächen, welche gut zu reinigen sind – hier wären wir bei der Funktionalität. Im Prinzip muss ein Stuhl ja nur rauf und runter fahren können und eine Ablagefläche für Instrumente und Bohrer haben. Die zahlreichen versteckten Features wie die motorische Verschiebebahn, bewegungsgesteuerte Lichtsensoren oder die S-Taste (lässt den Patienten spülen und dann wieder in die selbe Position fahren) ermöglichen dann aber sehr reibungslose Workflows. Design ist schön, Funktionalität notwendig.
Frau Schmidinger, Sie managen die Behandlungseinheiten bei Sirona, verantworten das Marketing. Lassen sich Mountainlodge Flair und der Wunsch nach High-Tech tatsächlich verbinden?
Susanne Schmidinger: Ja. Das verbindende Element ist der Qualitätsanspruch. In der Praxis Riedl ist dies mit hoher Konsequenz umgesetzt worden. Das Konzept war die Entscheidung für Qualität. Über die Ausführung der Inneneinrichtung wurde gesprochen. Nehmen wir die Behandlungsstühle: Es gibt riesige Unterschiede. Wer sich das Innenleben einmal ansieht, erkennt zahlreiche Punkte. Billigere Stühle werden geschweißt, im Vergleich zu den hochwertigen Gussarbeiten von namhaften Herstellern. Die Funktionalität dieser Einheiten ist dann auch auf 20 Jahre ausgelegt, und nicht auf 8 Jahre.
Jetzt ging es stark um die inneren Werte einer Behandlungseinheit. Aber das Auge macht sich auch ein Bild von Qualität.
Susanne Schmidinger: Ja, die Optik ist wichtig. Noch mehr ist aber die Haptik der Einheit ein wesentliches Element für den Gesamteindruck – wie fühlt es sich an, wenn ich das Tray zu mir herziehe – vergleichbar mit dem Gefühl beim Schließen einer Autotür. Fühlt sich das qualitativ hochwertig an? So kann man einen Premiumstuhl von einem Stuhl, der dann doch nur ein Stuhl ist, unterscheiden.
Dr. Riedl: Gestatten Sie, dass ich das noch ergänze / klarer formuliere. Wertigkeit und Langlebigkeit zahlen sich auf längere Sicht aus, lieber einmal einen Stuhl eines namhaften Herstellers anschaffen als 3 Billigstühle in der selben Zeit.
Herr Dr. Riedl, wenn Sie Ihren Kollegen einen Tipp geben wollen, worauf sollten diese bei der Neu-Einrichtung ihrer Praxis achten?
Dr. Riedl: Ich glaube, dass der Satz „Design ist schön- Funktionalität ist notwendig“ auch bei Neu-Einrichtungen eine gute Orientierung sind. Eine Praxis braucht beispielsweise gut zu reinigende Oberflächen oder kurze Laufwege zwischen den Räumen.
Frau Schmidinger, wie kommt ein Technologieführer wie Sirona zu Stilrichtungen wie „honest materials“?
Susanne Schmidinger: Seit einigen Jahren präsentieren wir auf der IDS internationale Einrichtungstrends. Dafür recherchieren wir kontinuierlich, was als Trends wahrnehmbar ist – natürlich auch international. In Summe sind es acht bis 10 Richtungen, die man findet und weiterverfolgt. Es bleiben schließlich vier Top-Trends übrig, denen wir auch spezielle Namen gegeben. „honest materials“ ist der Name für ein Programm, das Hightech Material mit der Natürlichkeit verbindet. Diese Linie transportiert Wärme, das Gefühl der Geborgenheit in der Praxis und Wertigkeit der Materialien. Praxisinhaber, die sich für diese Line entscheiden, lassen sich häufig durch ihre Reisen und Erlebnisse inspirieren und versuchen, davon ein Stück in ihren Praxisraum zu transportieren.
Dr. Riedl: Stimmt. Es ist ein Stück Urlaub am eigenen Arbeitsplatz.
Kommen wir zur letzten Frage. Frau Schmidinger, Funktionalität/Qualität und Ästhetik. Ist das wie Henne oder Ei?
Susanne Schmidinger: Bei unseren Produkten von Sirona steht Funktion und Qualität an erster Stelle, die Ästhetik kommt dann „on top“ dazu. Mit einem guten Design zu arbeiten macht ganz einfach mehr Spaß und es hat dadurch auch eine andere Wirkung auf den Patienten. Natürlich liegt auch in der Ästhetik die gewisse Kompaktheit. Nur ein puristisches, minimalistisches Design kann sich in die individuellen Stile einfügen und nur dann kommt ein Trend auch international an. Die Einheit soll ein Eyecatcher sein, aber sie soll nicht den Raum füllen oder das Andere übertünchen. Sie setzt einen gewissen Akzent, aber sie ordnet sich gut in den jeweiligen Stil der Praxis ein.
Frau Schmidinger, Herr Dr. Riedl, ich danke Ihnen für unser Gespräch.
Dr. Marcus Riedl schloss im Jahr 2000 das Studium der Zahnmedizin an der Universität Erlangen ab und ist seitdem im Raum Nürnberg tätig. Seit 2011 ist er selbstständig in seiner Praxis Dr. Riedl & Kollegen. 2013 ergänzt er seine Ausbildung durch einen Master of Science in Oral Implantology.
Das Interview führte Alexandra Kalmar. Sie studiert Zahnmedizin an der DPU Krems und absolviert parallel den Bachelorstudiengang „Medizinjournalismus und Öffentlichkeitsarbeit an der DPU.