In einer Zeit, in der Langlebigkeit im Geschäft selten geworden ist, feiert ein österreichisches Unternehmen ein außergewöhnliches Jubiläum: WIPLA, das älteste zahntechnische Labor Österreichs, blickt auf 100 Jahre durchgehende Geschichte zurück. Diese bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die tiefe Einblicke in die Evolution der Zahntechnik bietet, wurde kürzlich in einem exklusiven Podcast-Interview des dental JOURNALs beleuchtet, das Neugierde auf die lebhafte Geschichte dieses Familienunternehmens weckt.
Die Wiege der modernen Zahntechnik liegt in Leoben
Alles begann 1925 in der Steiermark, genauer gesagt in Leoben, wo Dr. Horina das erste Labor gründete. Dr. Horina, ein in Paris geborener Zahnarzt, war ein wahrer Visionär seiner Zeit: Er besaß eigene Flugzeuge, war Inhaber von 19 Patenten und dachte unglaublich fortschrittlich. Seine Leidenschaft für Innovation führte ihn dazu, gemeinsam mit der deutschen Firma Krupp eine revolutionäre Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierung für Modellguss zu entwickeln, die bis heute gültig ist. Dieses Metall, das Platin so ähnlich sah, wurde als „WIPLAstahl“ bekannt – und genau von diesem Stahl leitet sich der Name des Unternehmens ab: „WIPLA wie Platin“. Dieser Durchbruch lockte Techniker aus ganz Österreich und Deutschland nach Leoben, um die sensationelle Arbeitsweise Dr. Horinas zu bestaunen. Leoben kann daher mit Recht als „Wiege der modernen Zahntechnik“ bezeichnet werden.

Wachstum, Qualität und Auszeichnung unter Anna Wilk
Was in Leoben begann, entwickelte sich rasch zu einem österreichweiten Erfolg. Bereits 1937 wurde der Hauptsitz nach Wien verlegt und expandierte später mit Niederlassungen in Innsbruck (1957) und Graz (nachdem Leoben 1964 geschlossen wurde). Die Nichte von Dr. Horina, Anna Wilk, übernahm den Betrieb im Jahr 1946. Das Unternehmen ist stolz darauf, den Namen „Österreichische WIPLAl Laboratorien“ tragen zu dürfen – eine seltene Ehre, die sonst nur großen Institutionen wie Post oder Bahn zuteil wird. WIPLA hat über die Jahrzehnte hinweg auch schwierige Zeiten gemeistert. Während einer vertraglosen Phase mit Ärzten, als kaum jemand Arbeit hatte, wurde kein einziger Mitarbeiter entlassen. Für diese Stabilität und Mitarbeiterfürsorge wurde dem Unternehmen das Staatswappen verliehen, das es als einziges Labor in Österreich tragen darf. Über die 100 Jahre hinweg wurden bei WIPLA sicher an die 1000 Techniker ausgebildet, und rund 100 Betriebe sind aus dem Unternehmen hervorgegangen, darunter auch welche in Amerika und Südafrika.
Das Studium, wo man lernt wie man mit 100 Mitarbeitern umgeht, gibt es auf der ganzen Welt nicht.
Heinz Neubauer: Vom Lehrling zum Eigentümer
Heinz Neubauer, Eigentümer und heutiger Pensionist und Amateurgolfer (Handicap 27), stieg 1975 als Lehrling in den Betrieb ein. Er durchlief alle Stationen, absolvierte Gesellen- und Meisterprüfung und war Laborleiter sowie Abteilungsleiter. Als Anna Wilk 1994 keine Nachkommen hatte, die den Betrieb übernehmen wollten, kaufte Heinz Neubauer 1998 die Firma. Er beschreibt die Übernahme eines Unternehmens mit über 100 Mitarbeitern als „nicht gerade ein Honigschlecken“ und eine sehr „aufwendige und nervenaufreibende“ Zeit. Er betont, dass man die Führung eines solchen Betriebs nicht in einem Studium lernen kann, sondern nur durch Erfahrung und Arbeit. Glücklicherweise hatte er Unterstützung durch seine unternehmerische Familie, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stand. Eine wichtige Philosophie, die er von Dr. Horina und Anna Wilk übernommen hat, war es, die einzelnen Standorte immer zusammenzuhalten und nicht zu trennen, um eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten, falls es einem Betrieb einmal schlechter geht. Im Gegenteil 2003 kam mit Tulln noch ein vierter Standort hinzu. Im Ruhestand genießt Heinz Neubauer das Leben als Bergwanderer und Golfer. Den Startschuss seiner Pension markierte eine Wanderung auf das Gipfelkreuz des Großglockners, inspiriert von seinem Vater, einem Pionier der Hubschraubertechnik in Österreich. Er betont, dass er nun nicht mehr „arbeiten muss, sondern arbeiten darf“ und seinen Sohn Christoph weiterhin mit Rat und Tat unterstützt.

Christoph Neubauer: Handwerk trifft auf Digitalisierung und Heavy Metal
Heute steht Christoph Neubauer als Geschäftsführer an der Spitze des Unternehmens. Obwohl er ursprünglich die Handelsakademie absolvierte und Betriebswirtschaft studierte, zog es ihn letztlich zum Handwerk und in den Familienbetrieb. Er begann seine Ausbildung von der Pike auf und schmiss sein BWL-Studium nach eineinhalb Jahren, weil ihm die Lehre viel mehr zusagte. Seine Lehrjahre umfassten sowohl analoge als auch digitale Zahntechnik, wobei er sich besonders für die Digitalisierung begeisterte, da er darin das Potenzial sah, die Arbeit zu erleichtern und neue Angebote für die Kunden zu schaffen. Christoph trieb die Digitalisierung im Unternehmen voran, betonte jedoch, dass diese als Unterstützung dienen und den Menschen nicht ersetzen soll. Er ist überzeugt, dass jede zahntechnische Arbeit ein Unikat ist und die menschliche Komponente sowie das Teamgefühl unerlässlich bleiben. Christoph Neubauer lebt den Ausgleich zu seinem verantwortungsvollen Beruf in einer ungewöhnlichen Art und Weise: Er spielt in einer Heavy-Metal-Band namens „Perfect Sky“, die sogar europaweit unterwegs ist und an ihrem vierten Album arbeitet. Dieser musikalische Ausgleich dient ihm dazu, Stress und Lautstärke abzubauen. Schon als Kind zeigte er Talent für feinste Arbeiten, indem er stundenlang Zinnfiguren bemalte – ein „Sitzfleisch“, das ihm später in der Zahntechnik zugute kam. Aber „rein im Büro sitzen, das bin ich nicht, das schaffe ich nicht“ kam für ihn berufsmäßig nicht in Frage. Auch, wenn sich das jetzt im Geschäftsführeralltag ein wenig geändert haben mag.
Die Zukunft: Teamarbeit, Innovation und der menschliche Faktor
Für die Zukunft von WIPLA setzt Christoph Neubauer auf das Team, die Digitalisierung als Unterstützung, höchste Qualität und den menschlichen Fokus. Heinz Neubauer unterstreicht die Wichtigkeit des „WIPLA-Familiengefühls“, das über Generationen gepflegt wird und sich in langjährigen Mitarbeitern widerspiegelt. Die 100-Jahr-Feier war ein eindrucksvoller Beweis dieses Zusammenhalts, bei dem „alle durchgehend ein Grinsen, alle miteinander durchgehend ein Spaß gehabt“ hatten. Selbst Enrico Steger, Gründer und CEO von Zirkonzahn ließ es sich nicht nehmen bei der 100 Jahr Feier dabei zu sein. Die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter in eigenen Schulungsräumen sowie der intensive Austausch zwischen den zehn Meistern und einem Master im Betrieb sind dabei ein großer Vorteil und tragen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung bei. Auch wenn Künstliche Intelligenz einfache Kronen designen kann, wird der Mensch in der Zahntechnik, insbesondere in der Kommunikation mit den Patienten und dem Gefühl für individuelle Ästhetik, unersetzlich bleiben. Die Geschichte von WIPLA ist eine Geschichte von Innovation, Resilienz und tiefer menschlicher Verbundenheit. Sie zeigt, wie sich ein Handwerksbetrieb über ein Jahrhundert hinweg über Generationen an der Spitze der Branche halten kann.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Erfahren Sie die gesamte spannende Geschichte, von den Anfängen bis zu den Zukunftsvisionen, und lauschen Sie den persönlichen Einblicken von Heinz und Christoph Neubauer im dental JOURNAL podcast. Es lohnt sich!.