von Dr. Gregor Ley
Vom 9.-11. Juni fand in Krakau unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Schwarz und Prof. Dr. Piotr Majewski der Kongress des Implantatherstellers Camlog statt. Mehr als 70 Referenten lockten über 1300 Teilnehmer aus der ganzen Welt in die frühere Haupstadt Polens. Gemäß dem Motto „Tackling everyday challenges“ konnten sich die Besucher von wissenschaftlich fundierten und praxisnahen Vorträgen für ihren implantologischen Praxisalltag inspirieren lassen.
„Scan what you can“ hieß es am ersten Kongresstag, der sich den Bits und Bytes in der Zahnmedizin widmete.
Prof. Dr. Florian Beuer sieht in seinem Eröffnungsvortrag ganz klare Vorteile des digitalen Workflows. Ein Beispiel ist der Wechsel des Healing abutments von Implantaten. In der analogen Welt ist dieser zwingend erforderlich, dank der digitalen Möglichkeiten der Abformung kann der Austausch des Abutments vermieden werden. Das bringt nicht nur biologische Vorteile, sondern erleichtert sowohl dem Zahnarzt als auch dem Patienten die Behandlung.
Einen weiteren Aspekt der digitalen Möglichkeiten zeigten Dr. Andreas Worni und ZTM Vincent Fehmer. Die Herstellung von Bohrschablonen mit Hilfe gewonnener Daten aus einer CT- oder DVT-Aufnahme ermöglicht eine vermeintlich perfekte Implantation. Doch mit welcher Abweichung steht das voll navigiert gesetzte Implantat im Vergleich zur vorherigen, 3-dimensionalen Planung tatsächlich im Knochen? In Wahrheit ist die Abweichung größer als man vielleicht vermuten würde. Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigte bis zu 7,1 mm horizontale Abweichung und bis zu 1,94 mm vertikale Abweichung im Vergleich zur vorherigen Planung. Im Durchschnitt lag die Abweichung in der Horizontalen bei immerhin 1,63 mm und in der Vertikalen bei 1,07 mm. Der geplante Winkel wurde durchschnittlich um 5,26 Grad verfehlt. Eine andere Untersuchung verglich freihändig und geführt gesetzte Implantate. Das Ergebnis auch hier: Perfekt ist die Implantation mit Hilfe einer Bohrschablone nicht, wenn auch die Präzision im Vergleich zur Freihand-Implantation etwas höher war. Blind verlassen, wie es ja in so manchem Hochglanz-Prospekt glauben gemacht wird, sollte man sich auf eine Bohrschablone also auch bei präziser Planung nicht. Die chirurgische Erfahrung des Operateurs und die richtige Einschätzung der intraoperativen Situation ist auch durch hochmoderne Technik nicht ganz zu ersetzen, bislang zumindest.
Interessant: der Zahntechnikmeister Vincent Fehmer zeigte anhand eines Schaubildes, inwiefern sich die Digitalisierung auf den zeitlichen Aufwand von Zahnarzt und Zahntechniker bei prothetischen Arbeiten auswirken. Einmal über den Bildschirm swipen und die Krone ist vollendet? Für den Zahnarzt ändert sich in der Praxis nur wenig. Die konventionelle Abformung ist minimal schneller als die digitale und auch bei der Einprobe ist der Zeitaufwand quasi identisch. Ein ganz anderes Bild ergibt sich für das Labor. Hier verkürzten sich 174 Minuten für die Fertigstellung einer prothetischen Arbeit nach althergebrachter Abformung je nach digitalem System auf 108 bis 75 Minuten.
Nicht zu unterschätzen ist jedoch ein anderer Faktor. Eine moderne, voll digitale Praxis wirkt auf den Patienten ohne Frage sehr fortschrittlich und „fancy“.
„Work smarter, not harder!“ Dr. James M. Stein sieht vor allen Dingen den Workflow als entscheidenden Vorteil. Konventionelle Technik sei für ihn zuerst einmal: „Too much work, not enough flow!“. Sind Hardware und Software perfekt aufeinander abgestimmt, ermöglichen sie dem Patienten in weniger Besuchen und in weniger Zeit eine Restauration. Kein technischer Overkill sei die moderne Technologie, sondern ein Instrument um die Produktivität und Effizienz einer Praxis zu steigern.
Die anschließende Diskussion der Referenten macht eines deutlich: Ein voll digitales Chairside-Konzept in die Praxis zu integrieren erscheint aufgrund der vielen Anbieter und Systeme nicht einfach, viele Zahnärzte schrecken aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit der Datenpakete und dem großen Investitionsvolumen vor einer Digitalisierung zurück. „CAD/CAM ist nach wie vor Mercedes oder Ferrari, nicht Volkswagen!“ Weniger als 10% der Praxen im deutschsprachigen Raum benutzen digitale Technologie. Man könnte sagen: „Analogue ocean, digital islands“. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die Abformlöffel in naher Zukunft weiterhin Bestandteil der universitären Ausbildung sein werden. Denn ohne die Kenntnisse der konventionellen Techniken stünden sonst wohl viele Uniabgänger ohne Job da.
Atraumatisch, unkompliziert, schnell: Dahin wird der Weg führen, doch angekommen sind wir noch nicht.
„The issue is the soft tissue“, darüber waren sich die Referenten der beiden darauf folgenden Kongresstage einig.
Eine ausführliche Planung der Behandlung ist nach wie vor entscheidend für den Erfolg, egal ob es sich um Implantate im Seitenzahn- oder Frontzahnbereich handelt. Prof. Dr. Piotr Majewski betont in seinem Auftaktvortrag die Bedeutung der bukkalen Lamelle im ästhetischen Bereich. Mit einer durchschnittlichen Dicke von 0,5 mm ist diese nach einer unvorsichtigen Extraktion oftmals nicht mehr vorhanden. Dies bedeutet: Keine Sofortimplantation! Das bestätigt anschließend auch Dr. Paul Sipos. Gleichzeitig stellt er aber auch fest, dass eine gelungene Sofortimplantation zur Vermeidung aufwendiger Hart- und Weichgewebsaugmentationen führen kann. Insgesamt sieht er einen Trend hin zu minimalinvasiveren Verfahren – das großzügige Aufklappen zur Darstellung des Knochens wird wohl auch dank der fortschreitenden, navigierten Implantologie immer mehr in den Hintergrund rücken. Interessante Ergebnisse ergab eine Patientenbefragung: Nicht immer wird die fixe Restauration als angenehmer empfunden, eine Mehrzahl der Patienten würde sich für eine abnehmbare Prothetik entscheiden. Doch wie entscheidet der Zahnarzt über abnehmbar oder fix? Hierbei sollte ein besonderes Augenmerk auf die Putzfähigkeit des Patienten gelegt werden. Ist dieser manuell eingeschränkt, ist eine fest sitzende Prothetik nicht geeignet. Zudem können auch phonetische Probleme mit einer herausnehmbaren Lösung einfacher beseitigt werden.
Die Statements seiner Vorredner bestärkte auch PD Dr. Michael Stimmelmayr. Ohne ausreichendes Knochenvolumen und bukkale Lamelle keine Sofortimplantation! Sind jedoch alle Voraussetzungen gegeben, sieht auch er den Vorteil einer sofortigen Implantation in weniger Augmentationsaufwand.
Für die Versorgung des Seitenzahnbereichs wurden kurze Implantate heiß diskutiert. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 mm? Wie kurz ist kurz? Sicherlich sollte man hier keine Experimente wagen und sich nur auf gut dokumentierte Studiendaten verlassen. Eine Länge von 7 mm hält Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader für „vernünftig“. Mit dieser Länge ginge man kein unnötiges Risiko ein und könne sich in vielen Fällen eine Knochenaugmentation ersparen. Dies gelte jedoch nur für die Molarenregion und nicht für die ästhetische Zone, betonte er.
Es bleibt spannend für die Firma Camlog und ihre Anwender. Bereits jedes vierte in Deutschland verkaufte Implantat wird von Camlog produziert, seit 2014 hat das Unternehmen zehn neue Produkte und Behandlungskonzepte entwickelt. Und auch weiterhin möchte der Implantathersteller seinem Motto „Science, Education, Practice“ treu bleiben. Die Fortbildungsaktivitäten sollen weiter ausgebaut werden, hier stehen vor allen Dingen Programme für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte im Fokus. Zudem steht der Einstieg in das Segment der Keramikimplantate kurz bevor, eine Partnerschaft mit Axis Biodental wurde hierzu geschlossen.
„Translation of science into practice“ wurde an diesen drei erlebnisreichen Tagen in Krakau eindrucksvoll demonstriert. Und nicht nur die Abendveranstaltung „Hard Rock Night“ mit brüllenden Harley-Davidsons, schrillen Gittarenklängen und Burgern aus coolen Food-Trucks machten diesen Kongress zu einem echten Erlebnis.