Parodontitis wird zur Zeit mit rund 750 Millionen Betroffenen als die 6.häufigste Erkrankung weltweit angesehen (Kassebaum et al. 2014) und neben Karies ist Parodontitis die häufigste Ursache für Zahnverlust. Zahlreiche epidemiologische Studien belegen diese hohe Prävalenz, jedoch zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, Bevölkerungen und Gesundheitssystemen (Demmer & Papapanou 2010; König et al. 2010). In Europa ist die Datenlage zur Prävalenz von Parodontitis nach wie vor sehr unvollständig; bisher zeigte sich die parodontal “gesündeste” Bevölkerung in Spanien, Schweden und Schweiz, während sich in Deutschland eine erhöhte Zahnverlustrate und die höchste Prävalenz an parodontalem Attachmentverlust präsentierte (König et al. 2010). In Deutschland lag die Prävalenz von Parodontitis bei 71 bzw. 87% in den Altersgruppen von 35 bis 44 bzw. 65 bis 74 Jahren; 17 bzw. 42% der Gesamtbevölkerung litt sogar an einer schweren Ausprägung der Erkrankung (Holtfreter et al. 2010) (Abbildung 1). Als Risikofaktoren werden Rauchen, mittlerer oder geringer Bildungsgrad, ledig oder geschieden lebend, Diabetes mellitus, männliches Geschlecht und fehlende Zwischenzahnraumreinigung angesehen (Gätke et al. 2012). Darüber hinaus sind zahlreiche Zusammenhänge zwischen systemischen Erkrankungen und Parodontitis beschrieben; ein negativer Einfluss durch das Bestehen einer parodontalen Erkrankung zeigte sich im Rahmen von kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus, rheumatoider Arthritis, Krebserkrankungen sowie Lungenkrankheiten (Cullinan & Seymour 2013; Linden et al. 2013; Olsen 2015). Zusätzlich besteht bei Schwangeren mit einer parodontalen Erkrankung ein erhöhtes Risiko für ein verringertes Geburtsgewicht sowie für Frühgeburtlichkeit (Wimmer & Pihlstrom 2008; Cullinan & Seymour 2013; Sanz et al. 2013). Des Weiteren zeigte sich basierend auf amerikanischen Versicherungsdaten, dass durch eine regelmäßige Parodontaltherapie die Kosten und Krankenhausaufenthalte im Rahmen der Therapie von anderen systemischen Erkrankungen deutlich reduziert werden können (Jeffcoat et al. 2014).
n Anbetracht dieser durch parodontale Erkrankungen verursachten beträchtlichen Kosten für das Gesundheitssystem (Chapple 2014; Jeffcoat et al. 2014), der erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Zahnverlust (Gerritsen et al. 2010), sowie des geringen Bewusstseins der Bevölkerung zu dieser Erkrankung (Varela-Centelles et al. 2015), sollte die Aufrechterhaltung eines gesunden natürlichen Gebisses bis ins hohe Alter das primäre Ziel der Gesundheitsdienstleister sein. Jedoch bestehen in Bezug auf das parodontale Therapie-Angebot (öffentliche vs. private Finanzierung, Anzahl der Spezialisten in Bezug auf die Gesamtanzahl der Zahnärzte, die Verfügbarkeit des Berufs einer Dentalhygienikerin, usw.) deutliche Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. Die epidemiologischen Daten sind bisher jedoch nicht ausreichend, um gewisse Versorgungsmöglichkeiten als vorteilhaft identifizieren zu können (König et al. 2010). Daher wäre es von größter Bedeutung, in der österreichischen Bevölkerung vollständige und umfassende Daten zur Parodontitisprävalenz zu erheben. Dies würde eine Beurteilung des parodontalen Behandlungsbedarfs in Österreich erlauben und so eine Grundlage schaffen, um in weiterer Folge entsprechende Interventionen planen und setzen zu können. Dementsprechend arbeiten die Universitätszahnkliniken in Wien, Graz und Innsbruck gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie (ÖGP) an der Umsetzung dieser Parodontitis-Prävalenzerhebung in der österreichischen Bevölkerung.
Abbildung 1. 65-jährige, weibliche Patientin mit positiver Raucheranamnese (parodontale Diagnose: generalisierte Parodontitis gravis et complicata). Aufgrund der parodontalen Erkrankung ist es bereits zu zahlreichen Zahnverlusten und somit zu einer deutlichen Einschränkung der Kaufunktion gekommen (a, b). Auch die verbliebene Restbezahnung ist bereits deutlich kompromittiert; Knochenverlust bis fast an die Wurzelspitze (c), sowie durchgängiger Furkationsbefall an den unteren Molaren (d, e).
Kontakt
PD Dr. Kristina Bertl, PhD, MSc; Fachbereich für Orale Chirurgie, Universitätszahnklinik Wien; Sensengasse 2a, 1090 Wien; @ kristina.bertl@meduniwien.ac.at oder bertl@oegp.at
Referenzen
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