Ausgangssituation:
Wie viel ist meine Ordination eigentlich wert?
Wie viel soll ich für diese Ordination bezahlen?
Dies sind die beiden entscheidenden Fragen, wenn es um den Kauf oder Verkauf einer Zahnarztordination geht. Während auf der einen Seite der Übergeber eine entsprechende Entlohnung für sein Lebenswerk bekommen möchte, wünscht sich der Übernehmer auf der anderen Seite einen Start unter wirtschaftlich realistischen Bedingungen. Da der Verkäufer seine Vergangenheit verkauft und der Käufer seine Zukunft kauft, gibt es zunächst keine einfachen Antworten auf die eingangs gestellten Fragen.
„Grundsätzlich gibt es keine typische Durchschnittsordination“ erklärt Dipl.-Kfm. Florian Hoffmann. Als Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie weiterer Gesundheitsbetriebe weiß er, dass jede Ordination ihre individuellen Besonderheiten hat, die im Rahmen der Bewertung zu ermitteln und im Bewertungsverfahren zu berücksichtigen sind.
Wann ist eine Ordinationsbewertung sinnvoll?
Die Anlässe für eine Bewertung sind grundverschieden. Zu nennen sind hierbei u.a.:
• Kauf oder Verkauf einer Ordination
• Gründung oder Auflösung einer Kooperation
• Übergabe im Familienverbund
• Praxisabgabe aus Krankheitsgründen, Berufsunfähigkeit oder Tod des Ordinationsinhabers
• Sanierung bzw. Finanzierungsanfragen bei Banken
Zwei Werte, aber nur eine Ordination?
Eine Ordination – trotzdem zwei Werte? Im Grunde genommen hat jede Zahnarztordination nur einen Wert. Allerdings haben sich in der Bewertungspraxis zwei Werte herauskristallisiert.
Der Gesamtwert eines Ordinationsbetriebes setzt sich aus einem materiellen Wert (Substanzwert) und einem ideellen Wert (Goodwill oder immaterieller Wert) zusammen.
Materieller Wert
Zum materiellen Wert zählen unter anderem die Ordinationsausstattung, das Mobiliar sowie EDV-Systeme und Software. Sofern sich die Ordinationsräumlichkeiten im Eigentum befinden, ist dies als Immobilienwert gesondert zu bewerten.
Wird beispielsweise eine Ordination an einen Nachfolger übergeben, erfolgt die Bewertung des Inventars unter Fortführungsgesichtspunkten, da gedanklich unterstellt wird, dass die Ordination im Ganzen fortbestehen bleibt. Dies fließt in die wertmäßige Beurteilung mit ein, sodass folglich der Restbuchwert aus dem Anlageverzeichnis (vom Steuerberater erstellt) nicht ungeprüft übernommen werden darf. Oftmals befinden sich auch noch Wirtschaftsgüter in der Ordination, die aus dem Anlageverzeichnis nicht mehr hervorgehen.
Die Bewertung der Ordinationsausstattung durch Dentalfachhandelsfirmen und die Einarbeitung in ein Wertgutachten ist prinzipiell möglich. Aufgrund seiner langjährigen Dentalbranchenerfahrung ergeben sich für Hoffmann durch diese Vorgehensweise allerdings vereinzelt in der Praxis unnötige Schwierigkeiten. „Deshalb ist die Bewertung durch einen neutralen und unabhängigen Dritten meistens die beste Wahl“ weiß Hoffmann.
Ideeller Wert
Beim ideellen Wert (auch genannt Goodwill) einer Ordination handelt es sich um jenen Vermögenswert, der nicht an den Gegenständen abzulesen ist, sondern der sich im Wesentlichen aus einem langjährigen Betreuungs- und Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und seinen Patienten ergibt. Der ideelle Wert stellt dabei für einen potentiellen Übernehmer eine Chance dar, auf den vorhandenen Grundlagen weiter zu arbeiten, die bereits vom etablierten Ordinationsinhaber geschaffen wurden.
Hierbei geht es insbesondere um die Nachhaltigkeit, d.h., von welchen bestehenden Beziehungen, die der Ordinationsinhaber aufgebaut hat, kann der Übernehmer langfristig profitieren. Zudem spielen bei der Berechnung eines zutreffenden Ordinationswertes weitere Einflussfaktoren (z.B. der Standort der Ordination, Mitbewerbersituation, Patientenstamm, Personal usw.) eine entscheidende Rolle.
Ermittlung des Ordinationswertes
Für die Ermittlung des ideellen Wertes gibt es verschiedene Berechnungsmodelle.
Wegen ihrer einfachen Handhabung sind Umsatz- und Gewinnmethode sehr verbreitet, letztendlich aber kein Fundament für wichtige Entscheidungen. Ein wesentlicher Nachteil beider Methoden ist die reine Vergangenheitsorientierung. Zukünftige Chancen und Risiken bleiben dabei gänzlich unberücksichtigt. Gerade für den Übernehmer ist es aber wichtig zu wissen, welche Überschüsse er in Zukunft mit der Ordination erwirtschaften kann.
Neben der vergangenheitsorientierten Ermittlung bemängeln Kritiker vor allem, dass den beiden Methoden willkürliche und teilweise extrem variierende Prozentsätze zu Grunde gelegt werden. Auch Hoffmann sieht daher rein gewinn- und umsatzorientierte Daumenregeln als höchst problematisch an.
Ermittlung des Ordinationswertes nach modifiziertem Ertragswertverfahren
Für Hoffmann sind eine Vielzahl der im Markt angewandten Methoden „betriebswirtschaftlicher Nonsens“. Diese Methoden bzw. vereinfachten Formeln haben erhebliche Schwächen und eignen sich daher höchstens für eine grobe Orientierung.
In der Bewertungspraxis hat sich inzwischen die modifizierte Ertragswertmethode etabliert, da diese auch dem aktuellen Stand der Betriebswirtschaftslehre entspricht. Die modifizierte Ertragswertmethode orientiert sich am Fachgutachten „Unternehmensbewertung“ (KFS BW 1), das von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder veröffentlicht wurde und berücksichtigt zudem die Besonderheiten der zahnärztlichen Praxis.
Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens wird der Wert einer Ordination durch die Fähigkeit bestimmt, Einnahmen und Überschüsse zu erwirtschaften. Der Ertragswert ergibt sich grundsätzlich aus der Summe seiner abgezinsten künftigen Überschüsse (Zukunftserfolge), die der Käufer in Zukunft mit der Ordination erzielen kann, auf Basis der Voraussetzungen, die der Verkäufer hinterlassen hat.
Die modifizierte Ertragswertmethode ist zwar etwas komplexer und aufwendiger, allerdings haben zahlreiche Praxiserfahrungen gezeigt, dass die Anwendung der Methode unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Zahnarztordination geeignet ist, um einen realistischen Marktwert zu ermitteln.
Die Vorgehensweise bei der Wertermittlung
Ziel einer jeden Bewertung ist es, die Unternehmensplanung einer Ordination zu analysieren und neu aufzustellen. Daraus leitet der sachkundige Bewerter eine qualifizierte Prognose der zukünftigen Erfolge ab und ermittelt daraus den Ordinationswert.
Laut Hoffmann kann die Wertermittlung in folgende Schritte unterteilt werden:
• Analyse und Bereinigung der Vergangenheitserfolge
• Erstellung einer Zukunftsprojektion
• Festlegung des Ergebniszeitraums
• Festlegung des kalkulatorischen Zahnarztlohns
• Festlegung des Kalkulationszinssatzes
• Diskontierung der Zukunftserfolge
• Berechnung des Sachwerts
• Ermittlung des Ordinationsgesamtwertes
• marktübliche Plausibilitätsprüfungen
Es ist nicht immer zwingend erforderlich, eine Ordinationsbewertung in Auftrag zu geben. Man kann mit einem Interessenten auch ohne eine fundierte Bewertung einen Kaufpreis aushandeln und sich einigen. Erfahrungsgemäß kommt aber ab einer bestimmten Größenordnung der Nachfolger in Schwierigkeiten, bei der Bank Kapital für den Praxiskauf zu beschaffen, wenn keine aussagekräftige neutrale Ordinationsbewertung vorliegt.
Ordinationswertermittlungen, die nach modifizierter Ertragswertmethode durchgeführt werden, haben nahezu Businessplancharakter. Diese Wertermittlungen besitzen die notwendige Aussagekraft, die von Banken mittlerweile gefordert wird. Auch für Banken wird es künftig immer wichtiger, dass sie vor Finanzierungszusagen unabhängig und neutral aufbereitetes Zahlenmaterial vorgelegt bekommen.
Bei einem Vollgutachten (inkl. Ordinationsbesichtigung) hängt das Honorar von der Komplexität und der Größe der Ordination ab, so Hoffmann. In manchen Fällen bietet sich auch eine kostengünstigere Kurzbewertung an.
Eine Kurzbewertung ist auch sinnvoll, wenn man die Ordinationsübergabe in den nächsten ca. 2-7 Jahren plant. Durch eine Kurzbewertung erhält man zunächst eine realistische Vorstellung über den eigenen Ordinationswert und verschafft sich somit Sicherheit. Zudem erhält man Ansatzpunkte, wie man neben dem Betriebsergebnis auch den Ordinationswert positiv beeinflussen kann. Davon profitieren letztendlich Abgeber und Übernehmer gleichermaßen.
Insbesondere bei der Gründung von Kooperationen (Ordinations- bzw. Apparategemeinschaft, Gruppenpraxis, Ärzte GmbH) zeigt sich in der Praxis sehr häufig, dass durch eine neutrale Bewertung zu Beginn der Partnerschaft eine solide Ausgangsbasis geschaffen wird. Die Gefahr der Auflösung zu einem späteren Zeitpunkt, weil sich ein Partner benachteiligt fühlt, wird dadurch deutlich minimiert bzw. nahezu komplett ausgeschlossen.
Zudem können sich potentielle Interessenten durch ein aussagekräftiges Gutachten ein umfassendes Bild von der Praxis machen. Auch deshalb ist ein ausführliches Ordinations- bzw. Praxiswertgutachten in der Regel gut angelegtes Geld.
Aufgrund seiner Praxiserfahrung weiß Hoffmann, dass es immer besser ist mit offenen Karten zu spielen und demnach potentiellen Interessenten Einblick in sämtliche relevante Ordinationsdaten zu geben (natürlich sollte man sich vorher eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen lassen).
Notwendige Arbeitsunterlagen
Für eine Ordinationsbewertung benötigt der Gutachter folgende Unterlagen:
• Einnahmen-/ Ausgabenrechnungen der letzten 3-5 Jahre
• aktuelle Saldenliste des laufenden Jahres
• aktuelles Anlageverzeichnis
• die Dienstnehmerlohnkonten der letzten 2 Jahre
• Abrechnungsunterlagen der letzten 3 Jahre
• Mietvertrag Ordinationsräume
• Grundrissplan der Ordinationsräume
• Leasingverträge
• Kaufrechnungen von Großgeräten
• Gesellschaftsvertrag bei Kooperationen
Fazit:
Das Thema Ordinationsübergabe bzw. -wertermittlung ist ein komplexer Themenbereich, mit dem sich jeder rechtzeitig auseinander setzen sollte. Viele Übergeber unterschätzen den Zeitfaktor und kommen dadurch unnötigerweise in Bedrängnis.
Die Übergabe einer Ordination an einen Nachfolger oder die Übernahme einer Ordination sollte gut geplant und vorbereitet werden. Insbesondere deshalb, da es sich hierbei um ein wirtschaftliches Vorhaben handelt, das unternehmerisches Denken und Handeln erfordert.
Damit die Ordinationsübergabe in geordneten Bahnen verläuft, müssen sowohl betriebswirtschaftliche, steuerliche und juristische Bereiche berücksichtigt werden. „Daher sollte man sich in diesen Bereichen Unterstützung holen, damit die Ordinationsübergabe erfolgreich wird“ rät Florian Hoffmann.