Gastbeitrag von Mag. jur. LL.M. (Medical Law) Michaela Nill
Eine höchstgerichtliche Entscheidung hat diese Frage in Österreich deutlich beantwortet. Der OGH hat die Klage einer Ärztin auf Löschung ihrer Daten samt Bewertungen und Erfahrungsberichten betreffend ihre Ordination gegen eine der führenden Bewertungsplattformen abgewiesen. Kern dieser OGH-Entscheidung ist, dass schlechte Internetbewertungen grundsätzlich weitgehend hinzunehmen sind.
In aller Kürze zu den Entscheidungsgründen
Der OGH hat eine Interessensabwägung vorgenommen und dabei die Gewichtung zwischen den geltend gemachten Persönlichkeitsrechten der klagenden Ärztin und dem Recht auf freie Meinungsäußerung beziehungsweise Kommunikationsfreiheit auf Seiten des Bewertungsportals beurteilt. Durch die Veröffentlichung werde nicht in die Persönlichkeitsrechte der Ärztin eingegriffen und bleibe auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gewahrt, da aufgrund ausreichender Schutzmechanismen eine geringere Gewichtung der Sozialsphäre der Ärztin gegenüber dem Recht auf Informations- und Kommunikationsfreiheit sowie freie Meinungsäußerung des Portals, gerechtfertigt sei. Der das Portal nutzenden Öffentlichkeit werde ein geordneter Überblick darüber verschafft, welche ärztlichen Leistungen angeboten werden und ein wertvoller Einblick in persönliche Erfahrungen von Patienten gegeben. Dies würde auch zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen führen. Diese Zweckverfolgung wäre nach Ansicht des OGH gefährdet, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig sei, eine schlechtere Bewertung zurücknehmen zu müssen. Die Gefahr eines Missbrauchs stünde dieser Ansicht nicht entgegen und sei bei der Interessensabwägung untergeordnet, da die Sozialsphäre des Arztes im Vergleich keinen so weitgehenden Schutz genieße. Gerade im beruflichen Bereich müssten die Ärzte diese Gefahr einer schlechten Bewertung grundsätzlich hinnehmen. Jede abgegebene Bewertung würde nach Ansicht des OGH inhaltsleer werden, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten. Das nicht ausschließbare Risiko, dass das Portal für kreditschädigende oder beleidigende Aussagen im Sinne des § 1330 ABGB missbraucht werden könne, sei durch die Möglichkeit, dass sich die Ärzte jederzeit an den Betreiber wenden können, um die Beseitigung der rechtswidrigen Inhalte über ein Melde- und Beschwerdesystem zu verlangen, untergeordnet. Beleidigungen gemäß § 1330 ABGB seien zudem durch Punktebewertungen von vorherein ausgeschlossen, da diese keine Tatsachenbehauptungen, sondern bloße Werturteile
darstellen.
Ungeachtet dieser bahnbrechenden Entscheidung des OGH ist man negativen Internetbewertungen jedoch nicht komplett schutzlos ausgeliefert. Neben der Meldung unwahrer und uU kreditschädigender Bewertungen an den Plattformbetreiber kann gegen den Äußernden (bzw. unter gewissen Voraussetzungen auch gegen das Bewertungsportal) mit Klage auf Löschung, Unterlassung und gegebenenfalls auch Schadenersatz vorgegangen werden, sofern die Bewertung als Kreditschädigung zu qualifizieren ist. Um dies beurteilen zu können, ist zu hinterfragen, ob es sich bei den in der Bewertung enthaltenden Behauptungen, um bloße Werturteile oder Tatsachenbehauptungen handelt, die auch objektiv überprüfbar sind.
Abschließend ein Tipp aus der anwaltlichen Praxis: Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Bewertungen im Internet, um gegen negative und möglicherweise unzulässige Bewertungen rechtzeitig vorgehen zu können.