Sylter Woche

„Modernes Kariesmanagement in der Kinderzahnheilkunde“
Von Dr.med.dent. Anna Hafen, Schwäbisch Gmünd, Text
Von Ralf Roletschek – Foto
Vom 09.-13.05.2016 fand im sonnigen Westerland die 58. Sylter Woche der Zahnärztekammer Schleswig Holstein statt. Renommierte Vortragende aus unterschiedlichen Fachbereichen trafen im gut besuchten Congress Centrum aufeinander und diskutierten über ein zukunftsträchtiges und aktuelles Thema in der Zahnmedizin- die Kinderzahnheilkunde.
Die wissenschaftliche Vortragsreihe am Dienstagvormittag stand im Zeichen des modernen Kariesmanagements und der zeitgemäßen Füllungstherapie bei den kleinen Patienten.
Prof. Dr. Sebastian Paris von der Charité Berlin eröffnete die Vortragsreihe mit seinem interessanten Vortrag „Modernes Kariesmanagement- mehr als nur Bohren und Füllen?“.
Ein erklärtes Ziel des modernen Kariesmanagements ist es, die erste Restauration so lange wie möglich hinauszuzögern, um dadurch wertvolle Zeit zu gewinnen und die sogenannte „Restaurationsspirale“ aufzuhalten. Eine konservative Füllungstherapie ist laut Prof. Dr. Paris erst bei einer eingebrochenen Oberfläche notwendig, wenn der sogenannte „Point of no return“ erreicht ist.
Trend: Frühe Diagnostik und minimalinvasive Intervention
Bevor man diesen Punkt jedoch erreicht hat kommen alternative Therapieoptionen in Frage:
Die Ernährung des Kindes kann zum Beispiel durch den Gebrauch von Zuckerersatzstoffen und durch eine Ernährungsberatung durch den Zahnarzt positiv beeinflusst werden. Auch durch die Etablierung einer adäquaten Mundhygiene können Kavitationen vermieden werden.
Sollten diese noninvasiven Therapien nicht ausreichen, bieten sich zum Beispiel die Kariesinfiltration oder eine konventionelle Fissurenversiegelung als minimalinvasive Therapieoptionen an.
Abschließend kam Prof. Dr. Sebastian Paris zu folgendem Fazit: Der Trend geht zur frühen Diagnostik und minimalinvasiver Intervention!
Kariesinfiltration
Anschließend präsentierte Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel von der Universität Aachen seinen eindrucksvollen Vortrag zum Thema „Kariesinfiltration- funktioniert das wirklich?“.
Bei der Infiltration dringt ein niedrig visköser Kunststoff (Infiltrant) durch Kapillarkräfte  in den Zahnschmelz ein und verschließt nach Aushärtung die Porositäten des Läsionskörpers. Als Indikationen für die Kariesinfiltration kommen zum Beispiel die approximale Caries progressiva superficialis, leichte bis mittlere Fluorosen sowie die White Spot Behandlung in Frage.
Besonders bei der Kinderbehandlung ist es von Vorteil, dass bei der Infiltration keine Anästhesie benötigt wird und die Behandlung schmerzfrei ist.
Nachteilig ist jedoch, dass die Kariesinfiltration bei approximalen Defekten weder visuell noch röntgenologisch sichtbar ist, deshalb sollte der behandelnde Zahnarzt nach der Behandlung einen ICON-Pass ausstellen.
Füllungstherapie im Milchgebiss
Anknüpfend an den Vortrag von Prof. Dr. Meyer- Lückel hielt Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer von der Universität Gießen seinen Vortrag „ Füllungstherapie im Milchgebiss“. Dafür bieten sich folgende Materialien an: Stopfbare, hoch visköse Glasionomerzemente, Kompomere und Milchzahnkronen.
Die Vorteile der Glasionomerzemente sind die relativ einfache Handhabung und Applikation, jedoch stellt sich das Material als brüchig dar, was wiederum als Nachteil zu sehen ist.
Kompomere lassen sich mit Hilfe der Adhäsivtechnik an Milchzähnen befestigen, allerdings besteht bei der Total-Etch-Technik die Gefahr einer Überätzung und sollte somit vermieden werden.
Als Alternative zur Füllungstherapie mit Glasionomerzementen und Kompomeren bieten sich Stahlkronen an, jedoch sollten diese nur bei mehrflächigen Läsionen im Kombination mit einem hohen Kariesrisiko gewählt werden.
Evidenzbasierte Milchzahnkaries-Therapie
„Wie heilt man Milchzahnkaries evidenzbasiert?“ Diese interessante Fragestellung erläuterte Frau Dr. Ruth M. Samtamaria, MSc, PhD von der Universitätsklinik Greifswald und präsentierte in ihrem eindrucksvollen Vortrag einige neuartige Therapiemöglichkeiten für die Kariesbehandlung im Milchgebiss.
In einer randomisierten, kontrollierten dreiarmigen Parallelgruppenstudie der Universität Greifswald wurde die klinische Effektivität von drei Kariesbehandlungsmethoden bei Kindern über zwei Jahren verglichen, unter anderem die sogenannte Hall-Technik.
Hall-Technik
Ein charakteristisches Merkmal bei dieser Technik ist, dass bei den zu behandelnden kariösen Milchzähnen keine Kariesentfernung oder Präparation notwendig ist und die Restaurierung des Zahnes anschließend mit einer vorgefertigten Stahlkrone erfolgt.
Die klinische Vorgehensweise bei der Hall-Technik stellt sich folgendermaßen dar:
Nach Beurteilung der Kavität werden bei sehr engen Kontaktpunkten orthodontische Separiergummis eingesetzt und 2-3 Tage im Interdentalraum belassen.
Nach Auswahl und Trocknung der jeweiligen geeigneten Stahlkrone wird diese anschließend mit Glasionomerzement eingesetzt.
Karies-Inaktivierung
Die zweite angewandte Methode zur Behandlung von Milchzahnkaries war die Karies-­Inaktivierung. Bei dieser Methode wird die kariöse Läsion eröffnet, um sie der Reinigung und Plaqueentfernung zugänglich zu machen. Im Anschluss werden vorhandene Plaquereste entfernt und Fluoridlack auf die Kavität appliziert. Ebenso wie bei der Hall-Technik ist auch bei der Kariesinaktivierung keine Kariesentfernung notwendig, daher kommen beide Methoden bei unkooperativen Kindern in Frage.
Resultate der Studie
Die konventionelle Füllungstherapie wurde in der Studie aus Greifswald als dritte Therapiemöglichkeit angewandt. Die Resultate der Studie kann man folgendermaßen zusammenfassen:
Insgesamt zeigten sich nach zwei Jahren deutlich bessere Ergebnisse bei Verwendung der Hall-Technik als bei der Kariesinaktivierung und der konventionellen Füllungstherapie.
Die individuelle Therapieentscheidung hängt von mehreren Faktoren ab: das Patientenalter und die Kooperation des Kindes spielen ebenso eine Rolle wie die Ausdehnung der kariösen Läsion und die Kariesrisikobestimmung.
Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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