Dienstag, Juli 16, 2024
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„Die Zahnmedizin hat lange eine Art Schattendasein gefristet, doch dem ist ja nicht wirklich so.“

Seit Januar des Jahres 2021 ist Gerlinde Spitzl CEO und Vorsitzende der Geschäftsleitung des Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB. Die in Deutschland ausgebildete Krankenhaus-Betriebswirtin ist seit über 20 Jahren im Spitalwesen tätig, zuletzt beim Kantonsspital Baselland.

Sie sind jetzt seit über einem Jahr am UZB. Wie unterscheidet sich die Zahnmedizin von der Humanmedizin, die Sie vom Spital her kennen?
Diese Frage habe ich mir am Anfang auch gestellt, doch die Zahnmedizin ist mit anderen Bereichen der Medizin sehr stark vernetzt. Wichtige Partner sind z. B. die Dermatologie, HNO oder Onkologie. So ist es etwa bei einer Chemotherapie extrem wichtig, dass man gerade bei Kindern auf die tägliche Zahnhygiene achtet und so bestimme Sideeffects verhindert.

Aber das war doch nicht immer so …
Das stimmt, die Zahnmedizin hat lange eine Art Schattendasein gefristet, das ist nicht gerechtfertigt. Wir stellen fest, wenn wir das umfangreiche Leistungsspektrum des UZB vorstellen und erklären, worauf es in der Zahnmedizin ankommt, dass die Zuhörer erkennen und verstehen, warum gesunde Zähne so wichtig sind. Bis heute stand die Zahnmedizin noch nie so im Fokus der Bevölkerung.

Das UZB bietet sechs zahnmedizinische Behandlungsschwerpunkte. Welche Disziplinen gehören zu den besonderen Stärken?
Die Stärke des UZB ist, dass wir interdisziplinär zusammenarbeiten. Jeder Patient bekommt die optimale Behandlung und kann auch intern von einem Experten zum anderen überwiesen werden. Wir sind ein Team und das ist unsere Stärke.

Das klingt nett, doch Teamgeist muss man erst schaffen. Was haben Sie hierfür unternommen?
Als aller Erstes gilt: Vorleben und Vorbildfunktion für das gesamte UZB-Team. Zusätzlich wurde am UZB 2021 das Projekt integrales Ressourcen- und Kapazitätsmanagement lanciert. Dieses System wird hauptsächlich in den USA oder Holland angewandt. Das UZB hat das Modell auf seine Bedürfnisse adaptiert und nimmt damit eine Vorreiterrolle in der Schweiz ein. Ziel ist es, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zentral zu managen, effizient einzusetzen und damit die Arbeit für unsere Mitarbeitenden zu erleichtern. Der Schlüssel zur erfolgreichen Einführung und Umsetzung war einerseits der Einsatz eines interdisziplinären Projektteams aus den unterschiedlichsten Verantwortungsbereichen und andererseits eine kontinuierliche transparente Kommunikation über den Change Prozess, um alle Mitarbeitenden abzuholen und mitzunehmen.

In diesem Zusammenhang haben die vier interdisziplinären Kompetenzzentren des UZB eine wichtige Aufgabe?
Da die Erkrankungen auch im Bereich der Zahnmedizin immer komplexer werden, auch aufgrund der Demografie, wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Fachärztinnen und Fachärzten immer notwendiger und wichtiger. In den Kompetenzzentren werden die Expertise und das Know-how so gebündelt, dass gemeinsam die optimalen Therapien und Behandlungen für unsere Patienten entwickelt werden können.

Der verbesserte Patientenfokus ist ein strategisches Ziel des Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel.

Hat dies Einfluss auf die Organisationsstruktur des UZB gehabt?
Ja, wir haben im letzten Jahr vom Klinikmanagement auf Stockwerkmanagement umgestellt. Dabei wurde die Managementverantwortung in den Kliniken reduziert und auf das Stockwerkmanagement übertragen. Das starke Abteilungsdenken und Handeln konnte dadurch abgebaut werden. Die klinikübergreifende Zusammenarbeit wird damit enger und effizienter und trägt zu einem Kulturwandel bei. Trotz diesen Änderungen bleibt die zahnmedizinische Verantwortung vollumfänglich bei den Kliniken.

Wenn wir schon beim Thema Organisation sind: 2020 und 2021 schrieb das UZB Verluste.
Das Defizit von 4 Millionen Franken im Jahr 2020 konnten wir 2021 auf eine knappe Million reduzieren. Das Ergebnis 2022 liegt noch nicht vor, wir gehen davon aus, dass der Verlust nochmals massiv reduziert werden kann. In diesem Jahr werden wir schwarze Zahlen schreiben.

Wie schaffen Sie das?
Um dies zu erreichen, benötigte es in den letzten zwei Jahren einen grossen Effort aller UZB-Mitarbeitenden. Wir haben gemeinsam «jeden Stein umgedreht», um das UZB attraktiver zu gestalten und erfolgreich für die Zukunft aufzustellen. Wir haben alle Kosten analysiert, verschiedenste Einsparungen realisiert, Prozesse neu aufgesetzt und überall, wo sinnvoll und möglich, Leistungen zentralisiert und standardisiert. Dank dieser Optimierungen wird das UZB künftig auch finanziell erfolgreich operieren.

Hätten Sie für diese Prozessoptimierung ein Beispiel?
Ja, da haben wir einige. So hatten wir bis Mitte 2022 zusätzlich zur zentralen Sterilisation auf jedem Stock eine dezentrale Sterilisation. Diese Organisationsform war sehr kostenintensiv und ineffizient. Seit Juli 2022 wird am UZB nur noch zentral sterilisiert. Ein weiteres Beispiel ist die Ferienplanung, die von jeder Klinik separat durchgeführt wurde. Ab 2023 wurde diese ebenfalls zusammengelegt und damit Synergien geschaffen.

Solche Veränderungen bedingen ein ganz neues Verständnis aller …
Das ist richtig, das ist ein massiver Mind Change. Das reine Klinikdenken wird aufgelöst und die Identifikation mit dem gesamten Unternehmen wird gestärkt. Darüber hinaus rückt das Patientenerlebnis in den Vordergrund.

Apropos Patientenerlebnis: In Ihrem Strategiepapier gehen Sie genau auf dieses Thema ein. Was haben Sie diesbezüglich unternommen?
Wir führen am UZB kontinuierliche Patientenbefragungen durch, die uns aufzeigen, welcher Handlungsbedarf bezüglich der Patientenzufriedenheit besteht. So haben wir aufgrund der Ergebnisse die Signaletik im Haus optimiert, da sich unsere Patienten nicht immer zurechtfanden. Ein Informationsschalter am Eingang und neu ein Empfang auf jedem Stockwerk sorgen zusätzlich dafür, dass sich unsere Patienten besser orientieren können. Auch wurde die Ressourcenplanung zentralisiert, sodass unsere Patienten schneller einen Termin bekommen. Zusätzlich werden wir unsere Behandlungszeiten auf den Abend und auf den Samstag ausweiten, um auch hier die Kundenerwartungen zu erfüllen.

Neben dem Patientenerlebnis hat das UZB für die Jahre 2020-2023 fünf weitere strategische Erfolgsfaktoren definiert. Welches ist der Stand der Dinge?
Diese sechs Erfolgsfaktoren, nämlich Patientenerlebnis, Mitarbeiterzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit, Lehre, Forschung und Kooperationen, sind zentral für den Erfolg des UZB. Wir sind hier auf einem guten Weg, haben manche Projekte schon abgeschlossen oder beginnen in diesem Jahr mit neuen Projekten, wie zum Beispiel «Kooperationen».

Und welches sind die Zukunftsperspektiven des UZB?
Unsere Ambition ist nach wie vor das Kompetenzzentrum für alle zahnmedizinischen Fragestellungen in der Nordwestschweiz zu sein und dabei eine nationale und internationale Ausstrahlung zu haben. Dies gilt sowohl für die Patientenbehandlung als auch für die Forschung und Lehre. Auf dem Weg dorthin gibt es Bereiche, die wir noch verbessern können, zum Beispiel in der Digitalisierung und Automatisierung.

www.uzb.ch

Daniel Izquierdo-Hänni
Daniel Izquierdo-Hänni
Der Schweizer Marketing- und Kommunikationsprofi Daniel Izquierdo-Hänni ist seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn auch journalistisch tätig, die Dentalbranche kennt er seit über fünfzehn Jahren bestens. Unter anderem gibt er seit über zehn Jahren Kurse zu den Themen Praxismarketing und Patientenkommunikation in der Zahnmedizin. Als Autor beim Dental Journal kann er seine beiden Kompetenzfelder ideal miteinander verbinden. Privat und beruflich pendelt er zwischen seiner ehemaligen Heimatstadt Basel und seinem Wohnort Valencia/Spanien hin und her.
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