Die Materialeigenschaften und Einsatzgebiete von Composites haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Die Indikationsbereiche reichen heutzutage von kleineren Primärversorgungen zu größeren Rehabilitationen mit bemerkenswerten Ergebnissen. Möglichst schnell und minimalinvasiv zu hochästhetischen Lösungen: das sind die Faktoren, die für Zahnarzt und Patient gleichermaßen wichtig sind. Composite stellt dabei nicht nur eine „weiße“ Alternative zu Amalgam dar, sondern eröffnet komplett neue Möglichkeiten für den Patienten und den Anwender. Dr. von Sontagh präsentiert in einer zweiteiligen Vortragsreihe „Composite mehr als nur eine Alternative“ die Vor- und Nachteile von Composites und wie schön es sein kann mit einer gewissen künstlerischen Raffinesse ganze Kiefer zu rehabilitieren. Im Anschluss konnten die Teilnehmer bei einem Workshop die Theorie in die Praxis umsetzen.

Bulk-Fill Composites
Sind chemisch ähnlich zusammengesetzt wie konventionelle Mikro- und Nanohybride. Fließfähige Bulkfills eignen sich am besten zum Abdichten von unteren Kavitätenhälften. In Kombination mit modellierbaren Bulk-Fill-Composites sind Rekonstruktionen von Höckern mittels dickeren Schichten möglich

Von kleinen Fällen bis zur Full-mouth-Rehabilitation
Composite bietet viele Vorteile: es ist leicht zu modellieren, bietet eine naturnahe Ästhetik und ermöglicht dem Anwender ein flexibles Arbeiten. Die Ergebnisse sind vorhersehbar und relativ kostengünstig im Vergleich zu im Labor hergestellten Keramikrestaurationen. Fortschritte auf dem Gebiet der Adhäsivtechnologie1,2 machen es möglich, neue Techniken anzuwenden. Composite wird chemisch oder durch Energiezufuhr ausgehärtet. Heutzutage bestehen moderne Composites grundsätzlich aus Komponenten wie einer organischen Matrix (z. B. Bis-GMA, UDMA, TEGDMA), einer dispersen Phase (Füller wie Quarz, Glas und Keramik), einer Verbundphase (Silane, Kopolymere) sowie Initiatoren (Kampferchinon, Ivocerin), Akzeleratoren und Inhibitoren (z. B. Eugenol). Soweit die Theorie, wie sieht es nun in der Praxis aus?
Die Einsatzgebiete reichen von Klasse-II-Restaurationen bis hin zu ganzen Quadranten-Sanierungen. Die Vorteile sprechen klar für sich:

  • In einer Sitzung zum fertigen Ergebnis
  • Keine Abformungen und keine Provisorien
  • Kein Chipping von Keramikkronen
  • Geringere Zahntechnikkosten
  • Geringe Sekundärkariesgefahr und keine Randverfärbungen bei gewissenhafter Arbeit und Kombination aus niedrig- (Tetric EvoCeram Bulk Fill) und hochviskösen Composites
  • Deutliche Erweiterung des Lebenszyklus eines Zahnes

Composite erfüllt die besten Grundvoraussetzungen für ästhetisch hochwertige und langlebige Restaurationen. Allerdings ist dieses Material sehr anwendersensitiv. Das bedeutet: für optimale Ergebnisse muss das Adhäsivsystem sorgfältig und Schritt für Schritt angewendet werden. Für langlebige Restaurationen muss die Inkrementtechnik berücksichtigt werden. „Denn nur so lässt sich eine qualitativ hochwertige Restauration herstellen“, sagt Dr. Martin von Sontagh. Des Weiteren kann der Zahn von der ersten Sitzung an minimalinvasiv behandelt werden. Der Lebenszyklus des Zahnes kann dadurch verlängert werden. Etwaige Reparaturarbeiten können problemlos an insuffizienten Stellen durchgeführt werden. Intakte Anteile von ausgedehnten Restaurationen können einfach stehen gelassen werden und/oder Korrekturen mittels Cut-Back-Technik erfolgen. Bei dieser Technik werden zur Korrektur ausgewählte Bereiche mittels Schleifkörper abgetragen („cut back“) und angeraut, anschließend werden diese reduzierten Areale mit Composites unterschiedlicher Farben aufgebaut.

Composite first!
Bei der hier vorgestellten 44-jährigen Patientin (Abb. 1–3) handelt sich um einen weitreichenden Zahnhartsubstanzverlust durch jahrelangen Bruxismus und Abrasionen/Erosionen. Die Folgen sind eine Freilegung des Dentins, verkürzte Zähne und somit ein Verlust der Bisshöhe, Ästhetik und Funktion. Die Vorgehensweise bei den Fällen beinhaltet3 wesentliche Schritte: 1. Untersuchung, 2. Behandlung und 3. Erhaltung. Bei der Befunderhebung werden von der Erhebung des Zahnstatus (Dentale Angle-Klasse 2) über die Funktionsdiagnostik bis hin zum parodontalem Zustand möglichst viele Informationen gesammelt, um die bestmögliche Therapie durchzuführen (siehe Abb. Fallplanung).
Mit Hilfe der Abdrücke und in-situ-Modelle wurde bei diesem Fall ein wax up erstellt. Die Anforderungen beim wax up beinhalten veränderte Längen- und Breitenverhältnisse (vor allem im Frontzahnbereich, d. h. zuerst wird die dentale Mittellinie ausgerichtet), eine Anhebung um einen bestimmten vertikalen Betrag und eine korrekte Front- und Eckzahnführung für einen Freiraum der Seitenzähne bei Disklusion. Mit Hilfe einer Tiefziehfolie und einem flowable Composite werden die neuen Zahndimensionen im Mund des Patienten ausgehärtet. Dieses mock up hilft bei der Überprüfung der Sprache, der Funktion und der Ästhetik.
Dürfen wir den Biss so einfach ändern? „Eine festsitzende Bisserhöhung von bis zu 5 mm kann ohne Probleme durchgeführt werden, herausnehmbare Bisserhöhungen sind nur bei Patienten mit TMD-Problemen indiziert.“4 Erhöhung der vertikalen Dimension heißt:

  • Wiederherstellung der verlorengegangenen Zahnsubstanz
  • Platz für neue Restaurationen
  • Verbesserung der Ästhetik
  • Wiederherstellung der physiologischen Okklusion
  • Front-Eckzahnführung
  • Schutz der natürlichen Zahnhartsubstanz

Die Bisserhöhungsstudie4 von Abduo J. von 2012 besagt, dass eine vertikale Erhöhung ohne weiteres durchgeführt werden kann und eine vorhersehbare und notwendige Prozedur ist.

Dr. von Sontagh fährt stets folgenden Behandlungsablauf: Nachdem das mock up definitiv auf Ästhetik und Funktion eingestellt ist, kann nun Zahn für Zahn mit einem ästhetisch hochwertigen Composite modelliert werden. Die erste Sitzung umfasst die Zähne 13 bis 23 um eine korrekte Mittellinie und schöne Längenverhältnisse der Zähne einzustellen. Weiters folgte die definitive Umsetzung der Unterkiefer-Frontzähne und der vier Quadranten. Die bestehenden vier Keramikkronen wurden vorerst durch das Dahl-Prinzip extrudiert und anschließend durch Vollkeramik-Kronen ersetzt.
Eine erfolgreiche Sanierung mit Composite, wie in diesem Fall, erfordert eine absolute Trockenlegung mittels Kofferdam. IPS Empress Direct von der Firma Ivoclar Vivadent ist das Composite, das für diese Full-mouth-Rehabilitation verwendet wurde. Unterschiedliche Schmelz- und Dentinmassen sowie Effektfarben ermöglichen ein natürliches Ergebnis. Zum Ende erfolgte eine Hochglanzpolitur mit OptraPol© von Ivoclar Vivadent.
Das endgültige Ergebnis (Abb. 6–11) verlieh der Patientin ein neues Selbstwertgefühl. Die Angle-Klasse konnte von 2 auf 1 aufgewertet werden und die Patientin wurde in engmaschigen Recall-Terminen aufgenommen.
In der Erhaltungsphase sind regelmäßige Recall-Termine dringend erforderlich. Vor allem bei einer Bisserhöhung müssen Okklusion und Kontaktpunkte immer wieder überprüft werden. Zudem ist das nächtliche Tragen einer Funktionsschiene für Knirschpatienten unabdingbar! Sogar Tiefziehfolien können bei Tagknirschern zum Einsatz kommen. Frühkontakte und Hyperbalancen können an Composite-Zähnen einfach entfernt werden. Auch bei Zähnen, die nach ein paar Jahren eine Wurzelkanalbehandlung oder Revision benötigen, ist es möglich, durch das Composite zu trepanieren und diesen dann wieder gleich zu verschließen.

Biomimetische Composites
(Schmelz-, Body- und Dentin-Massen) bieten im Frontzahnbereich ein großes Potential

Fazit
Mit Composite ist es heutzutage möglich stark desolate Fälle oder angeborene Zahnschmelz-Hyperplasien eine hochästhetische und funktionelle Lösung zu bieten. Die Materialeigenschaften von Composite bieten dem Behandler gleich mehrere Vorteile: schnelles und flexibles Arbeiten, naturnahe Ergebnisse sowie minimalinvasives Vorgehen mit wenig Zahnhartsubstanzverlust. Im oben beschriebenen Fall von Dr. von Sontagh gab es nach acht Jahren keine Wurzelkanalbehandlungen aufgrund von Schleiftraumen, welches ein weiterer Vorteil von Composite ist. Der Patientin konnte in nur wenigen Sitzungen ein neues Lächeln sowie ein neu errungenes Selbstwertgefühl durch Veränderung der Bisshöhe und Zahndimensionen, vermittelt werden. Das Arbeiten mit Composite lässt die Kreativität des Anwenders voll und ganz zur Geltung kommen: Wird es richtig beherrscht, können optimale und naturnahe Ergebnisse erzielt werden, die mit freiem Auge nicht von den natürlichen Zähnen unterschieden werden können.
Falls Sie Lust bekommen haben, sich mit dem Thema Composite im Bereich der Full-mouth-Rehabilitation auseinander zu setzen und Ihre manuellen Fertigkeiten bei einem Hands-On-Workshop zu erweitern, gibt es die Möglichkeit an einem Kurs von Dr. von Sontagh bei Ivoclar Vivadent Wien teilzunehmen.

Artikel erstmalig erschienen in dental journal austria 0119

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