Dreht man in der Zahnarztpraxis den Verschluss eines Desinfektionsmittels auf, so denkt man vielleicht an die Vorgaben zur Anwendung oder an die Wirksamkeit, selten macht man sich jedoch Gedanken darüber, wieviel Arbeit in einem solchen Reinigungsmittel drinsteckt. «Eine Neuentwicklung kann zwei bis drei Jahre dauern, dabei können wir durchaus 100’000 Euro ausgeben, bevor die erste Flasche auf dem Markt ist.», erklärt Axel Schneider, Leitung Forschung & Entwicklung bei der Orochemie GmbH & Co. anlässlich einer Führung durch das hochtechnologische Werk in Kornwestheim, unweit von Stuttgart.
Besonders erfolgreiche und langlebige Marken werden mit der Zeit zu einem Überbegriff, zu einem Synonym, spricht man etwa von «Kleenex» oder «Tempo», so meinst man meistens Papiertaschentücher, egal welcher Marke sie sind. Ähnlich verhält es sich mit «Orotol» in der Zahnmedizin, das Desinfektionsmittel aus dem Hause Dürr Dental gilt weltweit als Standard und Oberbegriff im Bereich der (Absaug-) Hygiene in der Zahnmedizin.
Eine Erfolgsgeschichte, die andauert…
In den 1960er-Jahren brachte Dürr Dental die weltweit ersten Sauganlagen auf den Markt. Rasch stellte man fest, dass die während der Behandlung abgeführten Körperflüssigkeiten, zusammen mit anderen Substanzen, einen Biofilm bilden, der über die Saugschläuche die gesamte Anlage kontaminieren konnte. Um Infektionsgefahr und unangenehme Gerüche zu vermeiden, musste daher ein spezielles Reinigungsmittel her, und so entstanden 1965 die Firma Orochemie und deren Spezialerzeugnis Orotol. Was einst mit ein paar kleinen Mischtanks und von Hand abgefüllten Flaschen begann, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit viel Fleiß, Engagement und Wissen ein Produkt nicht nur an die Spitze führt, sondern dieses während sechs Jahrzehnten auch als Marktführer dort hält.
«Orotol ist zwar weiterhin unser wichtiges Produkt, es hat sich aber in der vergangenen 60 Jahren mehrfach geändert. Zu Beginn war zum Beispiel Phenol drin, welches man von früher vom typischen Krankenhausgeruch kannte.», erklärt Dr. Martin Koch, Leiter der Fortbildungsakademie bei Dürr Dental, und ergänzt: «Heutzutage wird Phenol durch neue, moderne Wirkstoffe ersetzt.» Dabei verweist Koch auch auf die neuen Vorgaben der Medizinprodukte-Richtlinie (MDR) auf europäischer Ebene. «Wir müssen Produkte, die schon lange Jahre auf dem Markt sind, wie auch unser Orotol, komplett neu registrieren und zulassen. Und hierfür braucht es zusätzliche Analysen und Studien.»
Deutsche Gründlichkeit, praktisch umgesetzt
Immer wieder wird bei Unternehmen, Marken und Produkten aus der Bundesrepublik von deutscher Gründlichkeit gesprochen, doch beim Rundgang durch die Orochemie-Anlage wird einem erst wirklich bewusst, was deutsche Qualitätsarbeit überhaupt bedeutet. Egal ob in Kanistern, Fässern oder in 1000 Liter-Gittertanks angeliefert, von sämtlichen Rohstoffen, die bei Orochemie angeliefert werden, werden direkt auf der Rampe Muster genommen und im hauseigenen Labor getestet. Und auch die Tanklastwagen können ihre Fracht erst löschen, wenn das Okay der Analysten da ist. «Wir bekommen dies in etwa 30 Minuten hin, so lange muss der Fahrer halt warten.» Axel Schneider scheinen solche engen Termine jedenfalls nicht aus der Ruhe zu bringen. Absolute Präzision dominiert auch das ganze Herstellungsverfahren der verschiedenen Reinigungs- und Hygieneprodukte, einem ausgeklügelten Prozess aus Leitungen, Mischtanks und Abfüllanlagen. Die Tanks etwa sind allesamt mit Präzisionswaagen versehen, so dass man bei einer Tonne Inhalt die minimsten Kiloabweichungen sofort feststellen kann, bei den Abfüllanlagen wacht ein Computer darüber, dass die ganz genau, präzise Menge in die Flaschen kommt. Bevor diese verpackt und ausgeliefert werden, werden immer zwei Gebinde auf die Seite gestellt. «Von jeder Produktion werden Proben aufbewahrt, für den Fall, dass Reklamationen reinkommen. Wir lagern von jedem Ansatz Muster ein, und zwar ein Jahr über die Haltbarkeitsgrenze hinaus. Da kommen einige Flaschen zusammen.», erklärt Axel Schneider gutgelaunt und führt das Dental Journal zum Hochregallager weiter. Dieses ist nicht nur eindrückliche 15 Meter hoch und vollautomatisiert, hier wird auch der Sauerstoffgehalt künstlich tief gehalten, so dass überhaupt kein Feuer entstehen kann. Unmöglich hier ein Feuerzeug anzünden zu wollen, die Flamme erstickt, bevor sie überhaupt auflodern kann.
Immer wichtiger: die Materialverträglichkeit
Bei den Zahnarztpraxen handelt es sich, und so zeigt es das Dental Journal immer wieder in seinen Praxisreportagen, immer seltener um medizinische Funktionsräume, sondern immer öfters um Designobjekte, in denen verschiedene Materialien miteinander kombiniert werden. «Deshalb spielt die Materialverträglichkeit beim Entwicklungsprozess unserer Produkte ein ganz zentrales Thema. Wir arbeiten mit sehr vielen Einheitenherstellern zusammen, um an deren Materialien direkt Tests durchzuführen, aber auch mit deren Lieferanten, die etwa die verschiedenen Polster liefern.» erklärt Axel Schneider die Tatsache, weshalb die Forschung und Entwicklung bei Orochemie so wichtig genommen wird.
Das heißt aber auch, dass man als Anwender von Hygiene- und Reinigungsprodukten zwingend die Etiketten respektive die Gebrauchsanleitungen lesen sollte, bevor man die Mittel anwendet. Viele Hochglanzkunststoffe etwa reagieren schlecht auf alkoholhaltige Flüssigkeiten, und es kommt immer wieder vor, dass Konzentrate, die zwingend verflüssigt werden müssen, in Reinform angewendet werden. Die Konsequenzen können fatal sein: spiegelnde Oberflächen werden matt, glatte Kunststoffe rau und schmutzanfällig, der UV-Schutzlack auf den Displays löst sich zum Teil auf.
Vier Kriterien machen die Kerneigenschaften eines jeden Orochemie-Produktes aus und bilden die Grundlage für den Jahrzehnte andauernden Erfolg des Unternehmens. Als erstes geht es um die Wirksamkeit, die so optimal wie möglich sein soll, dann folgt die chemische Stabilität der Flüssigmittel, was einen direkten Einfluss auf die Haltbarkeit hat. Nicht weniger wichtig sind die möglichen Nebenwirkungen in den Bereichen Toxikologie und Umwelt, die durch immer neue Wirkstoffe auf ein Minimum reduziert werden und, wie bereits erwähnt, die Materialverträglichkeit. Vier Aspekte, an welche man in Zukunft gerne denken sollte, wenn man eine Orotol-Flasche öffnet.