Einst war in diesem Gebäude in Zürich-Enge irgendeine Behörde untergebracht, jetzt steht es leer – oder eben nicht. Zwischennutzung nennt man es, wenn für eine limitierte Zeit neue Mieter einziehen. Das Schweizer Start-Up «Denteo» hat in diesen Räumlichkeiten nicht nur die nötigen Quadratmeter gefunden um die laufend zunehmende Zahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterzubringen, sondern auch den kreativen Raum um Visionen und Ideen in die Tat umzusetzen. Loïc Schülé und Kaspar Gertsch sind zwei dieser Innovatoren, die daran sind mit «Denteo» den Software-Markt für Zahnarztpraxen in der Schweiz aufzumischen.
Laufend Erkenntnisse sammeln
Gestartet ist «Denteo» 2017, als ein paar Webspezialisten ein Praxisprogramm für eine befreundete Zahnärztin in Winterthur erstellt haben. Da der damalige Prototyp nicht ausgereift gewesen ist, haben sie dem Westschweizer ETH-Informatikspezialisten Loïc Schülé ihr Programm vorgestellt und ihn um Hilfe gebeten. «Ich habe damals meine Erkundigungen angestellt, mit Zahnärzten gesprochen, die Dental Bern besucht, und am Schluss habe ich mir gesagt: Wow, let’s do it!» erinnert sich Schülé im Gespräch mit dem Dental Journal, und Kaspar Gertsch, einer der Unternehmenspartner der ersten Stunde, gibt zu: «Ich habe relativ lange gebraucht, um mich mit der Zahnmedizin anzufreunden. Bei mir ging es zu Beginn darum zu lernen, wie man ein Start-Up erfolgreich initiiert.»
Diese erste Version von Denteo war damals schon webbasiert und mit Aspekten wie Terminkalender und Behandlungsabrechnung recht gut ausgestattet, aber eben noch nicht gut genug. Nachdem die Macher mit hunderten von Zahnärzten und Dentalprofis gesprochen haben, haben sie in einem Jahr gerade mal vier Kunden gewonnen. Loïc Schülé liess sich nicht demotivieren, wichtiger war ihm sowieso die eigene Lernkurve: «Wir hatten 100 Neins, aber wir bekamen Antworten und wussten, warum. Als Consultant haben wir ja gelernt, Bedürfnisse in ein gutes Produkt zu übersetzen.» Kaspar Gertsch nickt: «Bei jedem Gespräch haben wir festgestellt, welches diese Wünsche sind, die bei Denteo noch fehlen und haben entsprechend daran weitergearbeitet.»
Mit der Zeit hat das Team von Denteo die Sprache der Zahnärzte erlernt, nach vier Jahren kennen sie den Vibe, die Denkweise und die Probleme der Zahnarztpraxen in der Schweiz. «Zu Beginn sind wir hin und haben unsere Software gezeigt, worauf es hiess, dieses und jenes würde fehlen, sei noch nicht ausgereift. Jetzt zeigen wir fünf Minuten die Software, die Fragen heutzutage sind hingegen auf einem ganz anderen Level, die Diskussion findet auf einem völlig anderen Fachniveau statt.» fasst Kaspar Gertsch seine Erfahrung der vergangenen Jahre zusammen. Die mittlerweile über 150 Zahnarztpraxen, die Denteo bei sich einsetzen, sind der Beweis, dass das junge Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Trotzdem wiederholt Loïc Schülé: «Dabei war und ist uns klar, dass wir auf keinen Fall die Wisser sind.» Immer neu dazulernen und das Produkt so laufend weiterzuentwickeln, ist ein Credo, an welches nicht nur der Mitbegründer von Denteo glaubt.
Knowhow-Partner Ivoclar
Start-Ups brauchen Geld, doch Kapital allein reicht nicht, um ein junges Unternehmen wirklich an die Spitze zu bringen. «Wir haben keine Investoren, sondern langfristige Partner.» erklärt Loïc Schülé, und fährt fort: «Partner, die Erfahrung einbringen können, und die uns Zugang zum Top-of-Top Level in der Zahnmedizin ermöglichen.» Mit Ivoclar Vivadent hat Denteo einen solchen Partner gefunden. Dieser arbeitet etwa in der firmeneigenen Research-Klinik in Schaan mit dem Denteo- Programm, die Liechtensteiner Dentalprofis geben auch wertvolle Ratschläge, etwa bei der Integration von immer neuen Geräten und Produkten oder bei der Strukturierung und Integration von zahnmedizinischen Dokumenten in die Software. «Die Leute von Ivoclar nehmen sich die Zeit und haben Freude Denteo mit uns weiterzuentwickeln.» kommentiert Schülé die Partnerschaft, und ergänzt: «Und wenn wir eine erfolgreiche Plattform im Dentalbereich entwickeln wollen, dann müssen wir die grossen Player an Bord haben.»
Von den Grossen lernen
Denteo ist in den vergangenen Jahren im Bereich der Einzelpraxen überproportional gewachsen, weshalb das nächste Ziel die «Dental Service Operator DSO» sind. Die Zusammenarbeit mit Praxisketten stellen aus der Sicht der Softwareentwicklung einen Komplexitätssprung dar, und auch aus unternehmerischer Sicht sind solche Grosskunden wichtig. Dass die DSO bei den meisten Praxisinhabern nicht besonders beliebt sind, ist Loïc Schülé und Kaspar Gertsch durchaus bewusst. Letzterer argumentiert: «Auch für den Einzelzahnarzt ist es vorteilhaft, wenn wir mit DSOs zusammenarbeiten, zumal wir ja Lösungen entwickeln, die für alle funktionieren. Nehmen wir zum Beispiel die Schulzahnklinik Zürich mit ihren sieben Kliniken. Als diese mit Denteo live gegangen ist, haben wir festgestellt, dass der Kalender zu langsam ist. So erst haben wir dieses Problem in dessen voller Dimension erkannt und den Kalender um Faktor 4 schneller gemacht.» Und Loïc Schülé ergänzt: «Viele Einzelpraxen arbeiten hart und haben daher vielleicht nicht so viel Zeit übrig, um über diese Zukunft nachzudenken. Die Praxisgruppen hingegen sind mehr strategisch unterwegs, sie verstehen die Risiken und die Chancen der Zukunft. Durch die Zusammenarbeit mit den DSOs können wir deren langjährige Erfahrung in Denteo integrieren und so den individuellen Zahnärzten zur Verfügung stellen, ohne dass sie einen Rappen mehr bezahlen.» Tatsache ist, dass das Princing bei Denteo transparent ist und keine Mengenrabatte gegeben werden. Das Abonnement ist pro Behandler gerechnet, egal ob es nur einer oder hundert sind. Das Abo-Modell ist zudem für die Spezialisten von Denteo ein Motivationsfaktor. Schülé erklärt sich: «Wenn wir gleich am Anfang teure Lizenzen verkauft hätten, so könnte ich jetzt vielleicht höhere Löhne bezahlen, doch nach fünf Jahren wäre die Motivation weg um innovativ zu bleiben. Wenn wir ein Abomodell anwenden, dann baut sich das Ganze langsam auf und ist somit auch viel nachhaltiger – nicht nur im finanziellen Sinne.»
Spannende Zukunftsperspektiven
In einer normalen Praxis laufen in der Regel zwischen sechs und acht verschiedene Applikationen, was nicht selten zu Problemen führen kann. Denteo strebt aus diesem Grund an zu einer Plattform zu werden, die alles in sich vereint und miteinander verlinkt, und auf welcher auch Innovationen aus der Dentalwelt laufend integriert werden. Aus diesem Grund möchte Denteo auch über die Schweizer Landesgrenzen hinauswachsen. «Die Briten etwa sind seit drei Jahren am Optimieren, wie man mit Videokonferenzen mit Patienten arbeitet. Es gibt andere Länder, die viel besser sind in Sachen Marketing, andere sind im Patientenschutz viel weiter.» erklärt Schülé im Gespräch mit dem Dental Journal Schweiz, und ergänzt: «Wenn wir die Erkenntnisse daraus in Denteo aufnehmen und dem Zahnarzt in der Schweiz anbieten, so hat er gleich mehrere Jahre Entwicklungszeit gespart.»
Auf die Frage, ob eine Zahnarztpraxis zu Denteo wechseln soll, antwortet Loïc Schülé selbstbewusst, ohne Umschweife: «Darf ich ehrlich sein? Wenn alles gut ist, musst du nichts ändern, nicht wechseln! Aber ist man sich wirklich sicher, dass alles in Ordnung ist? Die Ansprüche der Patienten nehmen laufend zu, auch die Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was du jedoch nicht machen darfst, ist einfach zu glauben, dass alles gut ist.» Kaspar Gertsch ist der gleichen Meinung: «Wir haben unter anderem mit Zahnärzten zu tun, die vielleicht 58 Jahre alt sind und zu Denteo wechseln. Wenn man diese fragt, warum sie sich dies ein paar Jahre vor der Pension antun, dann lautet die Antwort, dass sie ihre Praxis in einem guten Zustand haben möchten um diese dann verkaufen zu können. Und dass das jetzige Programm nicht zukunftsorientiert ist.» Die beiden weisen auch darauf hin, dass die Personalfluktuation in den Zahnarztpraxen in der Schweiz höher ist als noch vor ein paar Jahren. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass eine Softwarelösung so benutzerfreundlich wie möglich ist, idealerweise auch auf jüngere Leute ausgerichtet. «Ich würde definitiv behaupten, dass wir die kürzeste Schulungszeit, die kürzeste Angewöhnungszeit von allen Softwares haben.» sagt Kaspar Gertsch abschliessend.