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Stefan Kaltenbach: Dentale Legende und Innovator

Stefan Kaltenbach, CEO von orangedental, über sein unfreiwilliges Ende bei KaVo, den steinigen Neuanfang mit orangedental und warum er heute Produkte erfolgreich gelauncht hat, an denen sogar Konzerne gescheitert sind.

Von Chefredakteur Oliver Rohkamm

Stefan Kaltenbach zählt zu den führenden Köpfen der digitalen Zahnmedizin und verbindet dabei Familientradition mit technologischem Pioniergeist. Als CEO von orangedental hat er nicht nur innovative digitale Workflows etabliert, sondern prägt aktiv die Zukunft der gesamten Branche. Im Interview spricht er über seine Visionen, die Herausforderungen der Digitalisierung und darüber, warum Kontinuität und Innovation für ihn keine Gegensätze sind.

dental JOURNAL: Wir möchten heute ein bisschen über deine Person reden, über deinen Werdegang, über orangedental und natürlich über Eure Produkte mit Schwerpunkt digitalem Workflow von A bis Z. Für die jüngeren Hörer: Dein Großvater hat Anfang des 20. Jahrhunderts ein berühmtes Unternehmen gegründet.
Stefan Kaltenbach: Mein Großvater, Alois Kaltenbach, gründete 1909 alleine zuerst in Berlin-Steglitz die Firma Kaltenbach Dental. Den genauen Namen kenne ich nicht, aber 1919 kam Richard Voigt dazu, und gemeinsam gründeten sie in Potsdam Kaltenbach und Vogt, woraus der Name KaVo entstand. Ich trage den Namen Kaltenbach heute noch. Die Firma KaVo hat meinen Namen aus wahrscheinlich feuerpolizeilichen Gründen vom Dach entfernt. Ich konnte die Buchstaben nicht bekommen, als ich danach fragte. Ich überlege, wie der Name Kaltenbach erhalten bleiben kann, da er Tradition und Sicherheit für Zahnärzte bedeutet. Kontinuität bedeutet Sicherheit für den Zahnarzt, der in Investitionsgüter investiert und wissen will, ob es die Firma in 10 oder 20 Jahren noch gibt, falls er Ersatzteile benötigt. orangedental wird es noch lange geben, und es gibt sogar Nachwuchs in der Familie Kaltenbach. Wir haben ein junges, dynamisches Nachfolgeteam bei orangedental. Wir zielen auf Kontinuität, Tradition und Innovation und beweisen das seit über 20 Jahren.

Du warst nicht nur Miteigentümer bei KaVo, sondern hast dort auch über 20 Jahre in verantwortungsvoller Position gearbeitet und Innovationen wie den DIAGNOdent eingeführt. Was bedeutet für dich Innovation?
Innovation bedeutet, nah am Kunden zu sein und zu verstehen, was der Zahnarzt braucht, um dafür Lösungen zu finden. Das war die DNA meines Großvaters, meines Vaters und auch bei KaVo. Zu meiner Zeit war ich, das sage ich etwas sarkastisch, der letzte unabhängige CEO bei KaVo. Wir hatten 3.500 Mitarbeiter und tolle neue Produkte in der Pipeline. Die Firma Trophy, den ersten digitalen Röntgenanbieter, hatten wir als Letter of Intent im Portfolio. Die Turbine GENTLEForce 2 war mein Baby, noch kleiner, noch ruhiger, noch stärker. Durch die Übernahme von Herrn Köstilla kam etwas Ruhe rein, was mich für die Mitarbeiter freut. Ich glaube, dass es in unserer kleinen orangedental mindestens so viel Innovation gibt wie in der jetzigen KaVo. Wir waren immer vorne und mussten immer die teuersten sein, daher mussten wir immer die entsprechenden Produkteigenschaften haben. In Deutschland hätten wir keine Chance in Europa zu produzieren, wenn wir uns nicht immer wieder neue Sachen einfallen ließen. Wir sind sozusagen „Worlds First“ mit unserer byzz-Software, die seit 1998 ganz vorne dabei ist.

Die Firma KaVo wurde gegen deinen Willen verkauft. Wie kam es dann zum Einstieg bei orangedental, die damals noch anders hieß?
Es waren 17 Gesellschafter, von denen 13 verkaufen wollten. Ich wurde am 20.02.2000 entlassen. Danach bin ich in die Firma eingestiegen, die jetzt orangedental heißt. Ich habe sie dann ganz übernommen, den Namen geprägt und die Handelsorientierung fundamentiert. Ich bin jetzt Alleineigentümer und sehr vorsichtig, da mein Vater nicht so gut aufgepasst hat. Generationsübergänge sind immer ein Risiko. Da ich offen mit der Problematik umgegangen bin, haben mir viele Menschen von ihren Erfahrungen mit Familienunternehmen oder Beteiligungen berichtet. Ich habe gemerkt, dass ich keine Ausnahme bin, sondern eher die Regel.

Der Fokus lag auf einer Software. Welche Vision hattest du damit?
Die Vision ist nach wie vor lebendig. Mit der byzz-Software, deren Slogan früher „byzz macht mehr aus Bildern“ war, hatten wir eine Introralkamera im Programm. Wir mussten alles so integrieren, dass wir mit den Großen kooperieren konnten. Es entstand eine Verbindungssoftware für alle, die ihre Daten zur Verfügung stellen. 2008 waren wir die ersten, die ein sogenanntes Control Center hatten, wo alle digitalen Daten und Bilddaten auf einem Bildschirm zusammengeführt werden konnten. Damals gab es nur kleine, teure Monitore. Ich dachte, wenn ich Zahnarzt wäre, würde ich alles auf einmal sehen wollen. Wir kommen von Bildern her und erweitern das jetzt über 3D-Datensätze und Matching.

Kam bereits 1998 auf den Markt und wurde behutsam zum digitalen Alleskönner weiter entwickelt: byzz. Der Dreh- und Angelpunkt für den digitalen Datenworkflow egal ob 2D oder 3D.

Um byzz herum habt ihr ein Portfolio an Geräten aufgebaut, die den digitalen Workflow ermöglichen. Angefangen hat es mit einer Exklusiv-Kooperation mit VATECH. Ihr wart einer der ersten, die leistbare 3D-Röntgengeräte angeboten haben.
2006 war ich auf der Mailänder Messe und habe mit dem technischen Leiter zusammen diese Firma gesehen. Die Bildqualität der 3D-Daten hat uns vom Hocker gehauen. Wir haben dann exklusiv Deutschland, Österreich und die Schweiz ausgehandelt. 2007 waren wir auf der IDS mit drei Installationen und extrem zufriedenen Kunden. Wir haben den Markt mit dem Picasso Trio, dem ersten 3-in-1-Gerät (CEPH, OPG und DVT), bestimmt. VATECH kam dann 2009 mit vier unausgereiften Neuheiten raus, was uns einen Dämpfer verpasste. Aber wir haben uns erholt und sind seit Jahren wachsend.

Was ist heute State of the Art bei Euren VATECH Geräten?
VATECH zeichnet eine auf Röntgen fixierte Innovationskraft aus. Sie stellen die Sensoren und Röhren selbst her, haben höchste Auflösungen und schnellste Umlaufzeiten. Wir haben die niedrigste Strahlendosis, was von Professoren bestätigt wird. Das neue Gerät zur IDS, das Green X Evo, steigert die Bildqualität nochmals um 60 %. Die Rohdatenqualität ist führend. Das macht es möglich, im digitalen Workflow durch das Matchen mit dem Röntgen ein höheres Qualitätsniveau zu erreichen.

Gab es Punkte in den letzten 20 Jahren bei orangedental, wo es extrem schwierig war?
Ja, vor allem in den ersten zehn Jahren mussten wir uns immer wieder neu umstellen. Lieferanten haben Zusagen nicht eingehalten oder sind uns in denRücken gefallen. Aber wir haben eigene Stärke entwickelt. In der schnelllebigen Zeit ist nichts selbstverständlich. Heute sind wir viel weiter als vor 15 Jahren mit unseren eigenen Produkten wie z.B.: der EasyMill 4 und dem neuen Freecorder.

orangedental steht heute für die digitale Zahnmedizin. Ihr bietet 3D- und 2D-Röntgengeräte und die byzz-Software, in die auch Intraoralkameras einspeisen können. Ihr habt auch einen Intraoralscanner im Programm.
Wir haben einen sehr guten, kabelgebundenen Scanner, den Fussen 6500. In diesem Jahr kommt auch noch ein kabelloser Scanner dazu, der in der Qualität in den Top 5 der Intraoralscanner dabei ist und auch preislich keinen Vergleich scheuen muß.

2022 hat orangedental die Firma MB aus Biber Gmünd vom Konstruktionsgenie Wilfried Geiss übernommen. Kurz darauf wurde die EasyMill 4 auf den Markt gebracht.

Ein Intraoralscanner, der sogar problemlos Metall scannen kann…
Er kann es schnell und präzise. Wir haben den Scanner in einer Kooperation mit der Firma Ultradent in Stühle und Behandlungseinheiten eingebaut. Der Kunde ist extrem zufrieden, sodass wir uns weiter in die Integration unserer Produkte in Behandlungseinheiten entwickeln wollen.

Ihr seid in die CAD/CAM-Fertigung eingestiegen und habt sogar eigene Chairside Fräsmaschinen.
Wir haben 2022 die Firma MB aus Biber Gmünd vom Konstruktionsgenie Wilfried Geiss übernommen. Zusammen haben wir dann für dentale Anwendungen die EasyMill 4 und 5 entwickelt.

Was ist das Besondere an der EasyMil 4?
Erstens die digitale Integration über byzz. Zweitens das von VATECH neu in den Markt gebrachte Material Perfit FS (fully sintered). Drittens ist sie klein, leise, präzise, hat eine tolle Wasserkühlung und fräst vollgesintertes Zirkon hochpräzise. Sie ist erheblich günstiger als die des Marktführers. Die Ludwig-Maximilian-Universität arbeitet seit einem Jahr intensiv damit und ist von dem Gerät und dem Material begeistert.

Es gibt Kritiker, die sagen, dass das Schleifen von hartem Material zu übermäßigem Verschleiß an der Maschine führen kann.
In einem Paket von fünf Blöcken sind drei Werkzeuge enthalten, mit denen man fünf Kronen machen kann. Das Fräsen dauert etwas länger, aber der Patient kann währenddessen Kaffee trinken gehen. Sintern ist nicht nötig, daher gibt es keine Schrumpfungsfehler. Wir sind extrem präzise mit den Werkzeugen. Es ist das wahre Chairside, weil kein Provisorium benötigt wird.

Was kannst du zu dem neuen Zirkonoxid Material Perfit FS sagen?
Perfit FS ist ein neunfach patentiertes Material mit einem gewissen Anteil von Niob, das es etwas weicher macht. Es ist mit 520 Megapascal etwas weniger hart als Zahnschmelz. Es hat eine hohe Rissresistenz (fracture toughness) von 6,9. Dadurch kann man dünnere Veneers machen und weniger Zahnsubstanz abtragen. Der Randschluss ist perfekt.

Was könnt ihr zu eurer Parosonde pa-on sagen, die ein echter Dauerbrenner ist?
Die Parosonde pa-on ist ebenfalls digital. Sie misst die Zahntaschentiefe mit einer nachgebenden, auf 20 g geeichten Spitze. Es gibt inzwischen über 1.000 Anwender. Die Sonde misst elektronisch und gibt die Daten automatisch an die Software weiter.

Und Eure Lupenbrillen sind ebenfalls digital angebunden?
Wir haben eine irrsinnige Stückzahl erreicht. Wir haben das universellste Magnet-Flexsystem. Wir werden im Laufe dieses Jahres auch eine entsprechende Magnet-Flexkamera vorstellen, sodass die Dokumentation kabellos in die byzz-Software erfolgt. Die Dokumentationspflichten für Zahnärzte werden immer größer und wir reagieren darauf mit einer einfachen Lösung ohne Kabel und Akku.

Wie spielt das Thema KI bei euch eine Rolle?
Wir haben die Firma Diagnocat entdeckt. Damit kann ich eine KI-Diagnose der Röntgenbilder 2D und 3D komfortabel über die byzz-Software automatisiert bekommen. Radiologische Befunde werden von Diagnocat innerhalb von 10 Sekunden für 2D-Bilder und 4-6 Minuten für DVT -Bilder erstellt.

Geht es hier ausschließlich um Kariesdiagnostik?
Es geht um alles, was man an einem Bild erkennen kann, was auch ein Radiologe erkennen kann: Periapikale Läsionen, parodontaler Knochenverlust, Karies, fehlende Zähne, impaktierte Zähne und fehlgeschlagene endodontische Behandlungen. Der Zahnarzt muss den Vorschlag bestätigen und hat ein automatisiertes Berichtswesen.

Ihr seid die einzigen, die 365 Tage im Jahr Support anbieten…
Ja, wir haben seit 2006 diese technische Assistance. Unsere 16 Techniker teilen sich eine Art Bereitschaftsdienst am Wochenende. Zahnärzte, die sich neu einrichten oder Software einrichten, können auch am Wochenende Unterstützung benötigen. Oft ist es doch, dass nur eine Kleinigkeit fehlt um ein Update einzuspielen oder einer Fehlermeldung auf den Grund zu gehen. Das wird sehr gern angenommen.

 

 

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