StartÖsterreichZahnärztliche Sommerfrische in der Kaiserstadt Bad Ischl

Zahnärztliche Sommerfrische in der Kaiserstadt Bad Ischl

IMG_4455Von Dr. Gregor Ley

Ein Treffen der zahnärztlichen Fortbildungsszene der Länder Deutschland, Österreich und Schweiz fand vom 26.-28. Mai unter der Leitung von Prof. DDr. Franz Karl Tuppy in Bad Ischl statt. Unter dem Motto „TEAM on TOP“ konnten wissbegierige Praxisteams drei spannende Fortbildungstage bei echtem Kaiserwetter erleben.

Zauber und Nuancen der Kommunikation in der Zahnarztpraxis! Der Kongressbeginn widmete sich dem Zusammenspiel von Zahnarzt, Patienten und Mitarbeitern. „Qualität ist, wenn der Kunde wieder kommt und nicht die reklamierte Arbeit.“ Der Vertrauensaufbau und die Pflege des gewonnenen Vertrauens ist der Schlüsselfaktor, um Patienten langfristig an die Praxis zu binden. Gelingen kann dies nur über eine erfolgreiche Kommunikation, innerhalb der Praxis und mit allen Externen. „Vertrauen ist, wenn der Patient zufrieden wieder kommt und uns weiter empfiehlt!“

Konzer Bad IschlKann ein Patient immer nur durch Zahnersatz zufrieden gestellt werden? Dr. Diegritz meint nein und zeigte die Möglichkeiten und Grenzen des endodontischen Zahnerhalts auf. Der Trend ist eindeutig, immer mehr Zahnarztpraxen setzen auf eine schonende und vor allen Dingen zahnerhaltende Zahnmedizin. Ein erfolgreiches Endodontiekonzept kann dazu einen großen Teil beitragen, immerhin werden in Deutschland pro Jahr 7 Millionen Wurzelkanalbehandlungen durchgeführt. Eine Untersuchung im Rahmen einer Doktorarbeit an der LMU München zeigte: Von knapp 5.000 behandelten Zähnen hatten lediglich 34% eine adäquate Wurzelfüllung. Hier scheint es also Luft nach oben zu geben. Wird der endodontische Dreiklang von Aufbereitung, Desinfektion und Füllung adäquat durchgeführt, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit sehr hoch. Für Initialbehandlungen liegt sie bei 68-85%, für Revisionen nur leicht darunter. Die frühere endodontische Realität „Es tut vorher weh. Es tut während der Behandlung weh. Es tut danach weh…und der Zahn muss trotz allem gezogen werden“ hat sich auch dank der starken Weiterentwicklung der Aufbereitungstechniken in den letzten 10 Jahren verändert. Auch wenn es die eierlegende Wollmilchsau nach wie vor nicht gibt. Ein-Feilen-Systeme können gut funktionieren, doch sollte man die angewandte Technik immer auf die Situation abstimmen. Starke Wurzelkrümmungen scheinen sich gegen solche Herangehensweisen nach wie vor erfolgreich zur Wehr zu setzen.
Redner Bad IschlEtwas Fingerspitzengefühl vorausgesetzt, kann die Lebensdauer so mancher als hoffnungslos und extraktionswürdig diagnostizierte Zähne verlängert werden – wie einige Fallbeispiele des Vortragenden beeindruckend zeigen. Mehr Mut beim Griff zu den Hedström-Feilen also – denn auch andere, vermeintlich einfachere Lösungen, bergen Risiken. Für die Behandlung von Periimplantitis gibt es nach wie vor keinen Goldstandard, dieses Problem dürfte in Zukunft eine zunehmend große Rolle spielen…

Der Vortrag von Dr. Pertl aus Graz schloss nahtlos an dieses Thema an. Er definiert die Erhaltung von Zähnen und Knochen sowie die Herstellung einer gesunden, oralen Mikroflora als die grundsätzlichen Ziele seines Tuns. Eine der wenigen Indikationen, bei denen weder eine endodontische Behandlung noch eine Wurzelspitzenresektion zum Erfolg führt, ist die Längsfraktur. Eine Fistel nahe der Gingiva, erhöhte Sondierungstiefen bukkal und J-förmige Aufhellungen im Röntgenbild sind oftmals untrügliche Anzeichen für die Diangose. Eine Extratkion ist dann alternativlos. Generell meint der Referent: Je weiter distal ein Zahnproblem auftaucht, desto eher sollte über ein Implantat nachgedacht werden. Je weiter sich das Problem in Richtung Frontzahnregion verschiebt, desto eher sollte man den Aufwand zahnerhaltender Maßnahmen auf sich nehmen. Denn ein ästhetisch zufrieden stellendes Ergebnis ist bei Frontzahnimplantaten nicht immer einfach zu realisieren. Der Gedanke „Some people say I´m careless. But I don´t care!“  sollte einem beim Griff nach der Extraktionszange also ab und an durch den Kopf schießen.

IMG_4471Offensichtlich gilt also immer häufiger: Zahn versus Implantat – doch wie trifft man die richtige Entscheidung für den Patienten?

Dr. Stefan Seckler aus Burtenbach in Bayern stellte eine präimplantologische Risikoanalyse vor, die eine Hilfestellung hierfür gibt. Als ästhetische Risikofaktoren sieht er vor allen Dingen ein reduziertes Immunsystem und den Nikotinkonsum der Patienten an. Absolute Kontraindikation für eine Implantation sind hingegen pathologische Befunde im Kieferknochen, Zustand nach Strahlentherapie im Kieferbereich in Verbindung mit Xerostomie, pathologische Schleimhautveränderungen und Bisphophonat-Therapien bei i.V. Gabe.
Auch die Ansprüche der Patienten sind mit der Risikoanalyse verbunden. Patienten mit einem hohen ästhetischen Anspruch, hoher Lachlinie und dünner Gingiva sind deutlich schwieriger zufrieden zu stellen und somit „riskanter“ als beispielsweise Patienten mit einer Kombination aus niedriger Lachlinie und einer gut formbaren, dicken Gingiva. Die rote Ästhetik spielt im Frontzahnbereich eine entscheidende Rolle.

Ein weiterer Faktor spielt ausserdem eine nicht zu unterschätzende Rolle: Der Leidensdruck der Patienten, der sich 1:1 in Zeitdruck umwandelt und auf den Zahnarzt überträgt. Denn gerade in der ästhetischen Zone möchten Patienten eine möglichst schnelle Lösung. „Nicht nachgeben, die wichtige Abheilungsphase der Extraktionsalveole beachten!“ rät der Referent. Eine sofortige Implantation macht nur bei frischen Traumata ohne Knochendefekt und -infektion Sinn.

Ausstellung IschlDie Analyse des Knochens gibt ebenfalls Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit eines positiven Behandlungsergebnisses. Intakter alveolärer Knochen ist nur selten vorhanden, oftmals nur bei Zahntraumata ohne Knochenbeteiligung oder Nichtanlage des bleibenden Zahnes. Ansonsten erschweren apikale Läsionen, parodontale Destruktionen oder Entzündungen des alveolären Knochens die Vorhersagbarkeit der zu erzielenden Ästhetik.

Insgesamt führt eine durchdachte Risikoanalyse zu einer besseren Risikoeinschätzung des Falles und minimiert inakzeptable Restaurationsergebnisse. Der Fall wird von Anfang an konsequenter durchdacht und bezieht idealerweise auch den Zahntechniker in die Planung mit ein.
Eine CT/DVT-Aufnahme erleichtert zudem die implantologische Planung, da hier im Gegensatz zu einer zweidimensionalen Aufnahme die horizontale Knochenbreite und die Nervverläufe bestimmt werden können. Zudem ist auch die Angulation der Restbezahnung besser einschätzbar.

Möglichkeiten, Prognosen und Grenzen der Zahnerhalts
Prof. Dr. Christian Gernhardt, der seine nicht unkomplizierte Anreise aus Halle nach Bad Ischl bereits um 3 Uhr morgens antrat, klärte über Möglichkeiten, Prognosen und Grenzen der Zahnerhalts auf. „Es gibt Menschen, die bereit sind, für Schmerzen zu bezahlen, diese trifft man jedoch eher selten in der Zahnarztpraxis an“ war die launige Feststellung zum Einstieg. Einen interessanten Bilder-Vergleich ergaben die zwei Suchanfragen „Endodontie“ und „Implantologie“ bei Google. Bei ersterer sehen sich Patienten mit einer Vielzahl spitzer, gebogener Nadeln an LED-bestückten Apparaturen konfrontiert, die überhaupt nicht nach Wellness für die Zähne aussehen und scheinbar nur dafür erfunden wurden, Zahnärzten die Möglichkeit zu geben, ihre niedersten Triebe auszuüben. Ein komplett anderes Bild bei der Suchanfrage nach „Implantologie“. Freundliche Farben, harmlos anmutende Schräubchen und strahlende Menschen im besten Alter, für deren Aussehen so mancher gerne einen Einser hergeben würde. Doch der Wandel sickert langsam auch in die Marketingabteilungen durch, Zahnerhalt ist trendy und auch die Aussendarstellung wird sich in naher Zukunft dahingehend entwickeln.

TeslaNach wie vor spielt der Risikofaktor Parodontitis bei Implantaten eine wichtige Rolle. Während die Überlebensraten im Vergleich „Parodontitis-Patient – gesunder Patient“ ähnlich sind, gehen die Raten der zwei Patientengruppen für Taschentiefen und Periiimplantitis eindeutig auseinander.

Implantate sind also nicht unbedingt immer als erste Wahl anzusehen, Wurzelkanalbehandlungen sind mit einer Erfolgsaussicht von 84% Implantaten sogar leicht überlegen.  Verschiedene Kriterien sind für den Erfolg der Endodontie zu betrachten. Das endodontische Wissen und Geschick des Durchführenden spielt eine nicht unerhebliche Rolle, die exakte Diagnostik und Einschätzung des Zahnes sind wichtig für das Gelingen der Infektionskontrolle. Ebenso die Qualität der Wurzelkanalaufbereitung, sei es manuell oder maschinell, und Wurzelfüllung sowie eine randdichte koronale Restauration. Die Vorteile des Zahnerhalts liegen auf der Hand. Die physiologische Beweglichkeit des Zahnes ist weiterhin gegeben. Verlorengegangene Strukturen müssen nicht aufwendig rekonstruiert werden, somit sind auch keine langen Heilungsintervalle nötig. Die Option Implantat bleibt außerdem für die Zukunft weiterhin bestehen.

Was geht also mit Implantologie, was geht nicht und was wird noch kommen – diesen Fragen stellte sich abschließend noch Dr. Georg Bayer mit Praxis in Landsberg am Lech. Er griff auf seine Erfahrung aus 20.000 gesetzten Implantaten zurück und auch er wies auf den ständigen Wandel in der Zahnmedizin hin. Schlichen auf den ersten implantologischen Fortbildungsveranstaltungen ausschließlich „scheinbar dem Rotlichmilieu entsprungene, aufgemaschelte Toupetträger“ herum, wurde die Nischenthematik von Jahr zu Jahr ernsthafter genommen und so steigerten sich auch die Implantatzahlen jährlich. Doch nun ist eine erste, klare Sättigung in der Branche zu sehen, zweistellige Wachstumsraten gehören für die Industrie wohl der Vergangenheit an – auch weil es keine echten Innovationen mehr gibt. Und auch der gesellschaftliche Wandel spielt eine Rolle. Das durchschnittliche Einkommen steigt weniger als in den vergangenen Jahrzehnten, die Zahl der Alten nimmt zu. Daher steigt der Bedarf an qualitativ hochwertiger Zahnmedizin zu bezahlbaren Preisen. Auf der anderen Seite liegt der Anteil an verlorenen Zähnen, die implantologisch ersetzt werden, in Deutschland bei nur 1,4%.

Speziell an die jungen Kollegen richtete der Vortragende seine abschließenden Worte: „Seid mutig und wagt euch an das Thema Implantologie, die Versorgung von Zahnlücken mit Implantaten sollte in der modernen Zahnarztpraxis zum Behandlungsspektrum gehören.“ Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu, dass auch weniger feinmotorisch veranlagte Behandler die Implantologie durchaus erlernen können…

Der Komponist Franz Lehár könnte demnach nicht nur für sich gesprochen haben: „In Bad Ischl hatte ich stets die besten Ideen.“

Oliver Rohkamm
Oliver Rohkamm
Immer auf der Suche nach neuen zahnmedizinischen Innovationen. Hat ein Faible für alles, was mit dem digitalen Workflow in der Zahnmedizin zu tun hat. Zusätzlich interessiert er sich für Computer und alles was zwei Räder hat. In der Freizeit ist er vor allem auf dem Motorrad, Rennrad oder Mountainbike zu finden.
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