StartKieferorthopädieZehn Jahre Zuversicht für Kinder in Osh.

Zehn Jahre Zuversicht für Kinder in Osh.

Seit zehn Jahren fliegen der KFO-Spezialist Marcel Frei und seine Gattin Yvonne nach Kirgistan reisen, um dort Spalt-Kinder zu behandeln. In diesem Frühjahr waren sie wieder im zentralasiatischen Land.

Ein persönlicher Reisebericht von Yvonne Frei.

Beim Oblast Spital in der kirgisischen Stadt Osh angekommen, wird uns schmerzlich bewusst, dass hier die Entwicklung, im Minimum visuell, stehen geblieben ist und dem Rest der Stadt hinterherhinkt. Es ist immer noch unverändert der uralte russische Plattenbau. Im Innern des Spitals scheint alles gleich wie vor 10 Jahren. Die Patientenzimmer und das Inventar modern dahin. Die Bettwäsche ist vom vielen Waschen verbleicht, aber das scheint nur uns aufzufallen. Die Orthoklinik ist das Schmuckstück des Spitals und das Vorzeigeobjekt schlechthin. Obwohl auch bei uns uralte, gebrauchte Zahnarztstühle stehen, von welchen seit Jahren keine Ersatzteile mehr erhältlich sind, strahlt der weisse Raum einen modernen Touch aus. Die Atmosphäre wird geprägt durch Informationsbroschüren und von Bildern aus der Schweiz und Kirgisistan. Die Regale sind gefüllt mit Prophylaxe Artikeln wie Zahnbürsten und Interdentalreinigungsmittel. Ein farbiges Sammelsurium aus diversen Spenden aus der Schweiz.

Die Gesichter, die wir seit zehn Jahren begleiten und unterrichten, sind immer noch dieselben: Abduyrakhman Eshiev, Chef-Chirurg, Patron «Osh 1» genannt und inzwischen Professor, sein Sohn Danijar, inzwischen jüngster Professor Kirgisistans, sein Schwiegersohn Nursultan und Asamat, ein weiterer Verwandter. In all den Jahren haben wir eines gelernt: Die Kultur, seine guten wie schlechten Seiten mit all seinen Tücken hinzunehmen. Wir hinterfragen das Team, die Mitglieder, die vor allem aus der Verwandtschaft von »Osh 1« besteht, nicht. Wir kennen einander inzwischen so gut, wie sich nur gute Freunde kennen können.

Wartebereich des Spitals in Osh

Ständiges auf und ab
Hochs und Tiefs haben uns begleitet, politische Erschütterungen wie gerade jetzt schütteln uns, unsere Arbeit und die Nachhaltigkeit des Projekts so richtig durch. Die Regierung unternimmt zurzeit viel Anstrengung in der Korruptionsbekämpfung. Natürlich wäre das ein wunderbarer Ansatz, wenn damit mehr Geld in die Spitäler fliessen würde, diese dann die dringend benötigten Materialien, Maschinen und Instrumente selbst kaufen könnten und die Ärzte auch angemessene Saläre erhalten würden. Aber so sieht die Realität leider nicht aus. Andere Probleme haben wir gelöst, oder auch nicht. Gerade die Schwierigkeiten, mit denen wir uns seit Jahren herumschlagen, sollten wir als Herausforderung sehen. Das gelingt uns nicht immer. Frust und Freude liegen oft nur einen Atemzug voneinander entfernt. Wir suchen immer noch nach Lösungen wie die Organisation der Spaltsprechstunde oder das Recallsystem zu bewältigen sind. Kulturelle Hintergründe und das (Nicht-)Leistungsdenken der Kollegen stehen uns da im Wege.

Hands on in Kirgistan
Gespannt betreten wir nach einem ganzen Jahr Abwesenheit die Orthoklinik. Im Vorfeld erfuhren wir, dass ein Behandlungsstuhl defekt ist, einige Geräte wie das EMS nicht mehr funktionieren und Material gebraucht wird. Unsere Ankunft scheint jedes Mal fast wie Weihnachten für das Team. Mit glänzenden Augen verfolgen sie das Auspacken unserer Koffer. Dieses Spektakel hat über die Jahre etwas an Glanz verloren, erlebt jetzt unter den politischen Umständen aber wieder ein Revival. Sehnsüchtig und dankbar nimmt Danjiar die Platten und Schrauben von KLS Martin entgegen und verschwindet damit zufrieden in der Sterilisation. Die ersten Operationen sind bereits für den nächsten Tag geplant und müssen vorbereitet werden.

Voller Vorfreude präsentieren uns die Ärzte ihre Patienten, nicht ganz ohne Stolz. Die Resultate sind ganz in Ordnung und für kirgisische Verhältnisse bestimmt auf einem hohen Qualitätslevel. Trotzdem können wir unsere Enttäuschung bezüglich der Dokumentation und Planung der Fälle nicht verbergen. Es ist nach wie vor «Kirgis-Style», wie sie an einen Fall herangehen. Patient anschauen – beurteilen, was man heute machen möchte, machen könnte, machen will, dann loslegen. Die Notwendigkeit einer Dokumentation wird verdrängt. Statt einer längerfristigen Planung wird der nächste Behandlungsschritt spontan bei jedem Besuch neu definiert. Aufgeschrieben wird leider nach wie vor wenig bis gar nichts. Somit ist eine laufende kieferorthopädische Behandlung kaum nachvollziehbar für Marcel. Dies verlängert den Behandlungszeitraum um Monate oder gar Jahre, was bei dieser hohen Kariesaktivität schwerwiegende Folgen hat. Es ist nicht unüblich, dass zwischen einer Kontrolle Zähne gezogen wurden wegen Schmerzen und man plötzlich vor einer komplett neuen Situation steht.

Myofunktionstherapeutin Sabine Peter im Patientengespräch.

Eine Frau? Spaltchirurgin?
Mit dem aktuellen Einsatz setzten wir zusätzlich ein Zeichen, da die Spalt-Chirurgin Dr. Tine Jacobson als Frau im sonst Männer dominierten Team mit dabei ist. Für einen kirgisischen Halbgott in Weiss, als welche die Ärzte hier noch immer angesehen werden, ist dies eine unvorstellbare Tatsache. Nach dieser Woche meinte Danjiar anerkennend: «Bis heute habe ich mir nicht vorstellen können, dass eine Frau Spaltchirurgin sein kann!» Er habe nun verstanden, dass, wenn man eine gute Technik habe, gar nicht so viel Kraft nötig sei. Er habe seine Meinung revidieren müssen und freue sich auf weitere Operationen mit ihr. Ein schöneres Kompliment hätte er ihr wohl nicht machen können. Nach jahrelangem Kampf haben unsere kirgisischen Freunde endlich erkannt, dass Logopädie zum Wohle jedes einzelnen Kindes für ein Spaltteam unerlässlich ist. Sie fragten um Unterstützung und nun ist Sabine Peter als Myofuntions-Therapeutin mit dabei. Ziel ist es auch hier in Zentralasien Frauen auszubilden, die mit viel Interesse und Motivation weiter lernen möchten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Menschen in Schwellenländern nach Ausbildung und Know-how lechzen. In einer Gruppe von sechs Logopäden werden in dieser Woche Informationen, Übungen und interkulturelles Wissen ausgetauscht.

Stiftung Zuversicht für Kinder
Seit 1997 setzt sich diese gemeinnützige Organisation weltweit für Kinder ein, die in ihren Existenz- und Entwicklungschancen benachteiligt sind. In Bischkek, Kirgistan, hat die Stiftung das erste interdisziplinäre Behandlungszentrum für Kinder mit Gesichtsfehlbildungen aufgebaut, ein zweites Zentrum wurde in der Stadt Osh vollumfänglich ausgestattet.

www.stiftung-zuversicht.ch

 

 

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