Das Thema „Absaugung in der Zahnmedizin“ gehört nicht zufälligerweise zu den Kernkompetenzen von Dürr Dental, brachten doch bereits 1961 die beiden Firmengründer Karl und Wilhelm Dürr mit „Orosug“ das erste Gerät auf den Markt, welches den Spraynebel, der bei der durch Wasser gekühlten Bohrstelle im Mund entsteht, ableiten sollte. Diese Erfindung war auch deshalb revolutionär, weil es zum ersten Mal möglich gewesen ist den Patienten während des Eingriffes zu legen anstatt, wie bis anhin, aufrecht in einen Stuhl zu setzen. Ohne Absaugung wäre die Zahnmedizin von heute nicht vorstellbar, denn alle Behandler sind dem Rückprall von Kühlwasser oder Pulverstrahl ausgesetzt. Und, wie das Corona-Virus gezeigt hat, Spraynebel und Aerosole bergen gerade für Zahnärzte, Dentalassistenten und Dentalhygienikerinnen ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko.
Aerosole sind nicht gleich Aerosole
„Es gibt große Unterschiede zwischen menschlichen Aerosolen, die etwa beim Sprechen oder beim Singen freigesetzt werden und jenen, die in der Zahnmedizin entstehen. Letztere sind stark verdünnt, etwa in einem Verhältnis von 50:1, und somit ein ganz anderes Risiko, als wenn dich jemand anhustet. Dies hat die Politik verwechselt.“ Diese Erkenntnis stammt von Dr. Martin Koch, der nicht nur Leiter der Technischen Akademie bei Dürr Dental in Bietigheim-Bissingen ist, sondern auch studierter Mikrobiologe. Gerade aus diesem Grund hat er sich schon immer mit Übertragung von Krankheiten auseinandergesetzt, erst recht jedoch während der Corona-Pandemie. „In den vergangenen zwei Jahren gab es einige Veröffentlichungen zu diesem Thema: Versuche etwa mit angefärbten Dentalwasser, die die Ausbreitung der Aerosolwolke im Behandlungsraum nachweisen. Besonders interessant ist ein Versuchsaufbau, der über einen einfachen mikrobiologischen Test die wesentlich leichteren Viren nachweist“, erklärt Dr. Koch und berichtet von sogenannten Petrischalen, die man in verschiedenen Abständen zu einem Mundphantom aufgestellt hat, um dort dann die Viren auszuzählen.
Klar ist jedenfalls, dass bei den meisten zahnmedizinischen Behandlungen Aerosole und Spraynebel entstehen; besonders beim Einsatz von Pulver- und Wasserstrahl. Dies ist der Grund, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde die Empfehlung herausgegeben hat, bei Risikopatienten auf diese Behandlung zu verzichten. Auf dem Aerosol-Ranking folgen danach die Luft-Wasserspritze, die Turbine sowie das Ultraschallgerät, bei welchem war Aerosole entstehen, diese jedoch besonders fein sind und eine niedrige kinetische Energie aufweisen.
Nachforschung zur Absaugung
„Es kommt immer darauf an, mit welcher Energie die Partikel aus dem Mund geschleudert werden!“ Obwohl studierter Mikrobiologe weiß Dr. Martin Koch sehr gut, wie man wissenschaftliche Gegebenheiten gut verständlich erklärt. „Die Absaugung funktioniert so, als würde ich eine Rakete, die nach oben schießt, mit einem Gummiseil wieder zurückholen wollen. Je mehr Energie, Masse und Geschwindigkeit diese hat, um so dicker muss das Seil sein, um es wieder runterzuholen.“ In diesem Sinne wollte Martin Koch eigene Nachforschungen zum Thema der Absaugung von Aerosolen anstellen, also startete er mit Prof. Dr. Christian Graetz, Parodontologe aus Norddeutschland im vergangenen Jahr eigenen Untersuchungen. Für ihre Tests verwendeten Koch und Graetz zwei Hilfsmittel, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Auf der einen Seite war da «Erich», wie die beiden Forscher scherzhaft das Phantomkopf nannten, an welchem die Tests durchführt werden sollten. Ein ganz normales Dentaldummie, wie es an jeder zahnmedizinischen Fakultät zu finden ist. Andererseits kam mit «LaVisions Imaging und Sensor Systeme» eine hochtechnische und hochsensible Kamera zum Einsatz, die normalerweise für Strömungsmesstechnik, Verbrennungs-, Spray- und Partikelanalyse und für die berührungslose Materialprüfung eingesetzt wird.
Der Durchfluss ist entscheidend
Bei den diesen Nachforschungen wurden immer neue Behandlungssituationen durchgespielt: es wurden unterschiedliche Absaugkanülen eingesetzt, den Abstand zum Zahn, welcher behandelt wurde, veränderte oder der Durchfluss der Absaugung nach oben und nach unten geregelt. Bei jedem Versuch erfasste die Kamera die Partikel, welche aus der Mundhöhle stäubten. Publiziert wurden die Resultate dieser Studie im vergangenen Jahr unter dem englischsprachigen Titel „Spray mist reduction by means of a highvolume evacuation system”. Drei Erkenntnisse sind für die Leser des dental journals besonders wichtig, da eben auch praxisrelevant.
Erstens: Der ideale Abstand der Kanüle beträgt ein Zentimeter, was nicht immer einfach einzuhalten ist, fehlt den Behandlern dafür meistens ein dritter Arm. Das heißt, dass man entweder zu zweit an einem Patienten arbeiteten oder dass man einen Zungen-, Lippen- und Wangenretraktor verwenden sollte, um mit der Kanüle so nah wie möglich an die behandelte Stelle zu gelangen.
Zweitens: Die in der Umgangssprache als „Elefantenrüssel“ bezeichnete Absaugkanülen sind auf Grund ihrer Form (16 mm Durchmesser) besonders effizient. Ein Speichelsauger ist völlig ungeeignet zum Absaugen von Aerosolen.
Drittens: Am stärksten Einfluss auf die Verminderung von Aerosolen in der Zahnmedizin hat jedoch die Absaugleistung respektive die Durchflussrate der jeweiligen Geräte. Die Messungen von Dr. Koch und Prof. Graetz haben ergeben, dass erst ab 250 Liter pro Minute die „Aerosol-Raketen“, um beim vorangegangenen Wortspiel zu bleiben, eingefangen werden. Optimal ist, wie eine Grafik der Untersuchungen aufzeigt, eine Durchflussleistung von 300 Litern pro Minute, denn dann sinken die Aerosole, welche die Mundhöhle verlassen und eine Ansteckungsgefahr darstellen, quasi auf null.