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Reden ist Silber, dokumentieren ist Gold: Grundlagen der Aufklärung in der zahnärztlichen Praxis

Gastbeitrag von Mag. iur. Michaela Nill

Wenn Zahnärzte verklagt werden, passiert dies nur selten aufgrund von Behandlungsfehlern. Schadenersatzansprüche der Patienten werden immer häufiger (mittlerweile in bereits etwa 80 Prozent der Fälle) auf die Behauptung gestützt, sie seien nicht oder nur unzureichend aufgeklärt worden. Es obliegt dann im Haftungsprozess dem Zahnarzt zu beweisen, dass er keine Verletzung seiner Aufklärungspflichten begangen hat.

Michaela Nill Mag.iur., LL.M. (Medical Law) Rechtsanwältin SCWP Schindhelm 4020 Linz m.nill@scwp.com

Funktion der Aufklärung

Jede zahnärztliche Maßnahme, welche die körperliche Unversehrtheit des Patienten berührt, ist – selbst wenn sie medizinisch indiziert ist und im konkreten Fall lege artis durchgeführt wird –grundsätzlich rechtswidrig, sofern sie nicht durch eine Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Die Einwilligung des Patienten in die konkrete Heilbehandlung stellt somit den Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in die körperliche Integrität dar. Eine freie und selbstbestimmte Entscheidung des Patienten über die Vornahme einer zahnärztlichen Behandlung setzt voraus, dass der Patient auch die Tragweite der Behandlung bzw. des Eingriffs verstehen kann, weshalb besondere gesetzliche Aufklärungspflichten vorgesehen sind. Die Aufklärung durch den behandelnden Zahnarzt soll dem Patienten also vor Erteilung seiner Einwilligung in die zahnärztliche Behandlung jenes Wissen vermitteln, das notwendig ist, um abschätzen zu können, worin er einwilligt bzw. welche Folgen das Unterlassen der jeweiligen Behandlung hätte (der sogenannte „informed consent“). Die zahnärztliche Aufklärung hat dabei so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten noch eine angemessene Überlegungsfrist offenbleibt.

Umfang der zahnärztlichen Aufklärungspflicht
Das Zahnärztegesetz enthält anders als das Ärztegesetz eine eigene, sehr umfangreiche Bestimmung über die Aufklärung durch Zahnärzte, welche sich sehr stark an der vorherrschenden Judikatur über die ärztliche Aufklärung orientiert. Diese Bestimmung sieht vor, dass Zahnärzte den Patienten in ihrem Aufklärungsgespräch über die Diagnose, den geplanten Behandlungsablauf, die Risiken der zahnärztlichen Behandlung, die Alternativen der bzw. zur zahnärztlichen Behandlung, die Kosten, die Folgen der zahnärztlichen Behandlung sowie eines Unterbleibens dieser Behandlung und deren beruflichen Versicherungsschutz aufzuklären haben. Für die Aufklärung ist ausschließlich der Zahnarzt selbst verantwortlich, dh die Führung des Aufklärungsgesprächs kann nicht an das Assistenzpersonal delegiert werden.

Bei der Frage worüber aufzuklären ist, gilt der Grundsatz: je weniger dringlich der Eingriff ist, umso umfassender hat die Aufklärung zu erfolgen. Der Patient ist jedenfalls über die eingriffsspezifischen Risiken aufzuklären. Die Typizität ergibt sich nach der Rechtsprechung nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist. Ein Beispiel aus der Judikatur: Bei Zahnextraktionen dürfen die Aufklärungspflichten über mögliche Schmerzen nicht überspannt werden. Auf die Wahrscheinlichkeit, dass der Nerv geschädigt werden kann, ist jedoch hinzuweisen.

Heil- und Kostenplan

Eine Besonderheit des zahnärztlichen Berufsrecht bildet die vorgesehene zwingende Aufklärung über die Kosten der zahnärztlichen Behandlung. Das Zahnärztegesetz verlangt hinsichtlich der Kostentransparenz, dass im Rahmen der Aufklärung über die Kosten der Behandlung insbesondere auch darüber zu informieren ist, welche Behandlungskosten von den entsprechenden Sozialversicherungsträgern voraussichtlich übernommen werden und welche vom Patienten zu tragen sind. Die Aufklärung über die vom Patienten selbst zu tragenden Behandlungskosten hat in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplans zu erfolgen, wenn (i) im Hinblick auf die Art und den Umfang der Behandlung wesentliche Kosten – wobei der exakte Betrag jährlich in der Grenzwertverordnung der ÖZK festgelegt wird (aktuell EUR 1.904,00) – anfallen, (ii) die Kosten die in den Autonomen Honorar-Richtlinien der ÖZK festgelegten Honorarhöhe übersteigen oder (iii) der Patient einen schriftlichen Heil- und Kostenplan verlangt. Zudem fordert das Gesetz, dass Angehörige des zahnärztlichen Berufs die Inhalte der Autonomen Honorar-Richtlinien der ÖZK sowie der Grenzwertverordnung den Patienten in einer leicht ersichtlichen Form zugänglich zu machen haben.

Der Heil- und Kostenplan ist zivilrechtlich als Kostenvoranschlag anzusehen und unterliegt aufgrund der Konsumenteneigenschaft des Patienten den Regelungen des Konsumentenschutzgesetzes, sodass die Erstellung desselbigen grundsätzlich auch unentgeltlich und verbindlich zu erfolgen hat. Gegenteiliges wäre mit dem Patienten ausdrücklich zu vereinbaren, wobei eine Entgeltlichkeit nur für den Fall vereinbart werden kann, dass der Heil- und Kostenplan ausschließlich auf Wunsch des Patienten erstellt wird (also die Kosten unter EUR 1.904,00 und innerhalb der AHR liegen).

Dokumentationspflicht

Angehörige des zahnärztlichen Berufs sind gesetzlich dazu verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur zahnärztlichen Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere über den zahnmedizinisch relevanten Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung (Anamnese), die Diagnose, die Aufklärung des Patienten sowie Art und Umfang der zahnärztlichen Leistungen einschließlich der Anwendung und Verordnung von Arzneispezialitäten, zu führen. Den Patienten ist auf Verlangen Einsicht in die Dokumentation zu gewähren. Die Aufzeichnungen sowie sonstige der Dokumentation dienliche Unterlagen sind mind. 10 Jahre aufzubewahren bzw. auch an einen allfälligen Ordinationsstättennachfolger zu übergeben.

Abschließend ein Tipp aus der anwaltlichen Beratungspraxis: Dokumentieren Sie immer sorgfältig und ausführlich, dass die Aufklärung ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die entsprechende Einwilligung des Patienten (bzw des gesetzlichen Vertreters) vorliegt. Erstellen Sie für diese Zwecke ein Gesprächsprotokoll, das zumindest folgende Punkte enthält: Verlauf und Inhalt der Aufklärung, Aufklärungszeitpunkt, anwesende Personen, Patientenfragen/Themen, die vom Patienten aktiv angesprochen wurden und allfällige besondere Vorkommnisse. Aufklärungsbögen und Merkblätter sollen das Aufklärungsgespräch nur unterstützen, aber nicht ersetzen. Machen Sie Unterstreichungen, Hervorhebungen, haken Sie das Besprochene ab und notieren Sie die typischen Risiken handschriftlich auf dem Bogen. Je detaillierter die Dokumentation über die erfolgte Aufklärung, desto besser ist Ihre Beweislage in einem allfälligen Haftungsprozess. Der Verstoß gegen die Dokumentationspflicht über die erfolgte Aufklärung führt zwar nicht per se zu einer Schadenersatzhaftung, begründet jedoch die widerlegliche Vermutung, dass die Aufklärung hinsichtlich der nicht dokumentierten Maßnahme(n) nicht erfolgte und schafft sohin eine Beweiserleichterung für den Patienten.

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