Das 7. Symposium der ÖGK (österreichische Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde) tagte diesjährig im Herzen Salzburgs. Trotz hochsommerlicher Temperaturen war der Karajansaal 1 im Kongress-Zentrum Salzburg bis auf den letzten Platz besetzt. Erstmalig wurde der Fachschaft Simultanübersetzung angeboten. Neben internationalen Größen wie Swante Twetman (University of Copenhagen), Lee M. Weinstein (Arizona) oder Neal G. Herman (New York University of Dentistry) referierten Kollegen aus der Schweiz sowie Österreich und Deutschland.
von Niels Karberg, Nico Rothenaicher und Robert Simon
ÖGK-Präsidentin Frau Dr. Petra Drabo und ihr Team haben ein hervorragendes und umfassendes Programm zusammengestellt. Inhaltlich hat man sich mit der richtigen Anwendung der Anästhesie, der Problematik der MIH, der zahnärztlichen Chirurgie, Aspekten der Auswirkungen von Frühgeburten auf die Zahngesundheit, dem Beziehungsgeflecht zwischen Kindern und Behandlern (Dental Home), aber auch der probiotischen Prävention (effektivere Kariesreduktion) in der KZHK auseinandergesetzt.
Zum Abschluss des Tages gab es im Rahmen des Galaabends neben köstlicher Kulinarik auch bewusstseinserweiterndes zu konsumieren: Der Tiroler Arzt und Meditationstrainer Tobias Conrad ließ tagträumen und entführte mit Hypnose heilsam ins Unterbewusste.
Praxisnahe Workshops
Am Freitag wurden zahlreiche Workshops für das zahnärztliche Team angeboten. Frau Dr. Dinah Fräßle-Fuchs, Salzburg, und Frau Dr. Bettina Schreder, Wien, befassten sich mit der Assistenz und Verhaltensführung in der Kinderzahnbehandlung, während Frau Dr. Barbara Beckers-Lingener den Aspekt nonverbaler und hypnotischer Kommunikation beleuchtete. Ebenso machte der Psychologe Herbert Prange, Mallorca die Auswirkungen der Körpersprache mit seinem unvergleichlich trockenen Humor zum Erlebnis.
Frau Dr. Nicola Meißner, Salzburg, führte im Schweinsgalopp durch die Kinderzahnheilkunde, Prof. Elmar Reich behandelte den minimalinvasiven Ansatz der Prophylaxe und Prof. Lee Michael Weinstein sowie Prof. Neal G. Herman informierten über die Wirksamkeit von Siber-Diamin-Fluorid (SDF), das offenbar derzeit eine Renaissance erlebt. Mit Hilfe von SDF wird Karies gestoppt, muss also nicht entfernt werden.
Hochinteressante Vorträge am Samstag
Frau Prof. Katrin Bekes, Wien, berichtete über den aktuellen Stand der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, kurz MIH. Sie tritt Deutschlandweit bei durchschnittlich zehn Prozent aller Grundschulkinder auf, so die Zahnärztekammer Nordrhein, regionale Spitzen liegen bei 14 Prozent. Tendenz steigend.
Die verschiedenen Bezeichnungen wurden erst 2001 von Weerheijm et al. unter dem heute einheitlich verwendeten Begriff „Molar-Incisor-Hypomineralization“ (MIH) zusammengefasst.
Die Autoren definierten die Fehlbildung dabei als eine systemisch bedingte Strukturanomalie der bleibenden Schneidezähne und der ersten bleibenden Molaren. Bereits kurz nach dem Durchbruch der Zähne kann es, durch Kaukräfte bedingt, zum Verlust des fehlstrukturierten Schmelzes kommen. Die betroffenen Zähne reagieren sehr empfindlich auf Temperatur und mechanische Stimuli, sodass das Zähneputzen Schmerzen bereiten kann. Histologisch zeigen sich Porositäten und niedrigere Kalzium- und Phosphatkonzentration im Vergleich zum normalen Schmelz.
Die Lögopädin Mathilde Furtenbach, Innsbruck, verwies in ihrem spannenden Vortrag einmal mehr auf die große Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit bei myofunktionellen Störungen.
Prof. Dr. Dr. Norbert Jakse, Graz, verwies auf beeindruckend klinische Erfolge bei Zahntransplantationen, die in erster Linie bei Traumata und Nichtanlagen, aber auch bei Karies eingesetzt werden. Voraussetzung für eine bis zu 100 prozentige Erfolgsrate mit Vitalitätserhalt ist das Entwicklungsstadium des Keimes (zumindest 70% Wurzelentwicklung, offenes apikales Foramen) und ein möglichst kurzer Weg von der Keimentnahme zur Transplantation. Daher beinhaltet sein Protokoll die Anfertigung eines Dummys mittels 3D-DVT und einem 3D-Drucker, um so vorab anatomisch korrekt das Zahnbett für den zu transplantierenden Keim zu präparieren, der ohne Presspassung eingesetzt wird.
Probiotika
Besonders innovativ war auch der Vortrag von Prof. Swante Twetman, Kopenhagen, „Probiotic bacteria for caries prevention in children“. Der Biofilm ist bei jedem einzigartig und individuell. Ein „gesunder Biofilm“ ist gekennzeichnet durch Diversität und Balance der Bakterienflora (=Symbiose). Verschiedene Faktoren wie z.B. Zucker, Übergewicht, Medikamente führen zu einer der Norm abweichenden Bakterienflora (=Dysbiose). Karies ist das Resultat der Dysbiose. Somit muss das Ziel ein homöosthatisches Gleichgewicht sein
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, Bakterien und Hefen. Ihnen werden gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Sie haben sowohl lokale als auch systemische Wirkung. Die Probiotikatherapie basiert vereinfacht gesagt darauf, dass ein „gutes Bakterium“ ein „böses Bakterium“ ausknockt.
Der Vergleich mehrerer Studien zur Probiotikatherapie zeigt, dass Probiotika die Karies um 33% reduzieren können. Auch geht aus Studien hervor, dass eine verbesserte Mundflora auch zu weniger anderen Krankheiten führt „promoting oral health = promoting disease.“
Frühe Probiotika-Gaben
Der Biofilm ist ab dem 5. Lebensjahr voll entwickelt. Gibt man den Kindern aber bereits vor der endgültigen Entwicklung des Biofilms Probiotika, wirkt sich das positiv auf die spätere Zusammensetzung aus und führt zu weniger Karies.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Probiotika die klasischen Prophylaxemaßnahmen wie Zähneputzen, Flouride, PZR und gesunde Ernährung nicht ersetzen sollen, sondern diese sehr positiv unterstüzen können.
Die Autoren (Cand.med.dent. Niels Karberg sowie Cand.med.dent. Nico Rothenaicher) studieren derzeit im letzten klinischen Jahr Zahnmedizin an der DPU in Krems und absolvieren parallel den Bachelorstudiengang zum Medizinjournalisten.