Donnerstag, November 21, 2024
StartMarketingStandortbestimmung in der Zahnarztpraxis nach dem COVID 19 Lockdown

Standortbestimmung in der Zahnarztpraxis nach dem COVID 19 Lockdown

Wo sind wir? Und wo wollen wir hin?

Auf Grund der Coronavirus-Krise war man zum Nichtstun verdammt und hatte plötzlich das, was einem in der Alltagshektik oftmals fehlt: Zeit! Zeit, um mit der Familie zu verbringen, Zeit, um sich aber auch Gedanken über dieses und jenes zu machen. Genau dieses Innehalten um über den Status Quo sowie die Zukunftsaussichten der eigenen Praxis zu sinnieren, sollte man sich auch ohne COVID 19-Stillstand alle paar Jahre nehmen. Denn Situationsanalyse und Zieldefinition sind die Grundlage einer jeden erfolgreichen Marketingstrategie – auch in der Zahnmedizin.

Manchmal ist es ganz gut Inne zu halten und sich die Zeit zu nehmen seine Lebenslage zu hinterfragen. Wo befinde ich mich? Sowohl privat wie auch beruflich als Zahnarzt? Ist das, was ich tue, wirklich das, was mir vorschwebte? Und, in Folge: Wo will ich als Mensch und Mediziner hin? Wo sehe ich meine Praxis in acht oder zehn Jahren?

SWOT Analyse

Die wohl populärste – weil relativ einfache – Vorgehensweise, um eine Momentaufnahme der eigenen Situation zu erstellen, ist die sogenannte «SWOT» Analyse. Der Begriff setzt sich aus den vier englischen Worten «Strenghts», Weaknesses»,«Opportunities»,«Threats» zusammen, also Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren. Um eine solche Situationsanalyse durchzuführen braucht es weder Marktforschungsagenturen noch irgendwelche Wirtschaftsspezialisten, sondern lediglich genügend Weitsicht und – dies ist der Knackpunkt – die Fähigkeit wirklich kritisch mit einem selbst zu sein.

Stärken und Schwächen der Zahnarztpraxis sowie Chancen und Gefahren, die das Umfeld bietet, dienen um eine aussagekräftige Bestandsaufnahme durchzuführen.

Praktisches Vorgehen

Am besten man legt vier leere A4-Blätter vor sich auf den Tisch und fängt an alles aufzuschreiben, was einem in den Sinn kommt. Dabei gilt die Brainstorming-Regel: alles aufschreiben, was einem in den Sinn kommt. Alles gilt, sei es noch so nebensächlich oder absurd. Erst später werden die aufgeschriebenen Gedanken gewichtet, allenfalls sogar weggelassen.

Erste Frage, erstes Blatt: Welches sind die Vorteile, Pluspunkte und Stärken, welche die Zahnarztpraxis auszeichnen? Dabei geht es nicht nur um rein zahnmedizinische Kriterien, sondern auch um Aspekte wie etwa Erfahrung, Kenntnisstand und Sozialkompetenz des Praxisteams. Ebenfalls notiert werden sollen die nicht-medizinische Aspekte rund um die Zahnarztpraxis. Sind die Praxisräume besonders oder nach Feng-Shui Wohlfühlregeln eingerichtet? Bieten wir besondere Öffnungszeiten? Oder sind in unseren Behandlungszimmern TV-Bildschirme an der Decke montiert, so dass dort den Patienten Ablenkung geboten wird?

Zweite Frage, zweites Blatt: Jetzt gilt es mit sich ehrlich zu sein und auch Zweitmeinungen zu akzeptieren. Wo sind wir schwach auf der Brust? Was klappt überhaupt nicht in unserer Praxis? Wo haben wir Nachholbedarf? Gleich wie bei der ersten Frage müssen alle Facetten der Zahnarztpraxis analysiert werden – medizinischen wie nicht-medizinischen. Wer weiß, vielleicht sind die Stühle im Wartezimmer die unbequemsten der Welt?

Dritte Fragestellung, drittes Blatt: Um die kommenden zwei Fragen beantworten zu können, sollte man am Puls der Zeit sein und über einen entsprechenden Weitblick verfügen. Welche Chancen kann die Zukunft uns und unserer Zahnarztpraxis bieten? Einerseits im zahnmedizinischen Sinne wie etwa neue Materialien, innovative Techniken oder zukunftsträchtige Behandlungsangebote. Andererseits sollte auch aufnotiert werden, welche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder juristischen Umwelteinflüsse positiven Einfluss auf den Beruf des Zahnarztes und auf den Betrieb der Zahnarztpraxis haben könnten. Ich denke da zum Beispiel an die Liberalisierung etwa von Behandlungszeiten oder Geschäftsmodellen, aber auch an gesellschaftliche Trends wie Schönheitskult oder Umweltbewusstsein.

Vierte Fragestellung, viertes Blatt: Welche Gefahren können die soeben erwähnten zahnmedizinischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Umweltfaktoren für unsere Praxis bedeuten? Gibt es zum Beispiel immer mehr Privatuniversitäten und somit immer mehr Zahnärzte respektive Konkurrenten? Werden neue Geschäftsmodelle auf den Markt kommen? Fragen über Fragen, die man sich in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und auf notieren sollte.

Meinungsvielfalt ist gefragt

Selbstkritik ist ja nicht wirklich eine der ausgeprägtesten Tugenden des Menschen. Genau aus diesem Grund ist es wichtig die SWOT-Analyse nicht für sich allein im stillen Kämmerchen durchzuführen, um eine wirklichkeitsnahe Momentaufnahme zu schaffen sind vielmehr unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen gefragt. Konkret heißt dies, dass man jeden einzelnen Praxismitarbeiter hinzuziehen sollte mit der Bitte, sich die gleichen Gedanken zu machen und niederzuschreiben. So können unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen zusammengetragen und dann gemeinsam kommentiert werden.

Und jetzt, wie weiter?

Bei der SWOT-Analyse der eigenen Zahnarztpraxis gibt es kein richtig oder falsch, ist doch jede Situation, jeder Zahnarzt und jede Wertevorstellung anders. Doch diese Momentaufnahme kann einem ganz gut aufzeigen, ob man auf dem richtigen Weg ist und – vor allem – wo man ansetzen muss, um Fehler und Missstände zu beheben. Also: Wie weiter? Wohin sollen die Zukunftsperspektiven der eigenen Zahnarztpraxis hinweisen? Was wollen wir erreichen, was sind unsere ganz konkreten Ziele?

Genau hier, bei der konkreten Bestimmung der Endabsichten, bleibt man nicht selten wage – irgendwas, irgendwann. Dabei sind klare Ziele die Grundvoraussetzung, um auch im zahnmedizinischen respektive unternehmerischen Sinne den richtigen Weg nicht nur einzuschlagen, sondern auch beizubehalten. Gleich wie ein Kompass. Es ist daher zwingend die unterschiedlichen Zielnuancen zu kennen, möchte man ernsthaft die Zukunft seiner Praxis planen.

Quantitative versus qualitative Ziele

Die Anzahl an Neupatienten, die man im Verlaufe eines Jahres in die Praxis holen möchte, oder die Höhe des Umsatzes pro Monat sind klassische Beispiele für Ziele, die man in Zahlen messen und somit quantifizieren kann. Das gleiche gilt etwa für die Akzeptanzrate von Kostenvoranschlägen oder die Anzahl Mitarbeiter, die in fünf Jahren in der Praxis tätig sein sollen. Etwas komplizierter, weil eben nicht direkt messbar, sind die sogenannten qualitativen Ziele wie etwa die Zufriedenheit der Patienten, die Qualität der zahnmedizinischen Intervention oder das Image der Praxis.

Wer sich also Gedanken darüber macht, was man eines Tages erreichen möchte, muss als aller erstes diese Differenzierung vornehmen. Mathematik spielt jedoch bei beiden Zieldefinitionen eine Rolle, denn nur über das Herunterbrechen der qualitativen Ziele in messbare Parameter lassen sich diese auch wirklich verifizieren. Wie kann man also feststellen, ob die Zufriedenheit unserer Patienten so hoch ist wie wir es uns wünschen? Zum Beispiel über das Zählen von Beanstandungen, die im Verlaufe einer definierten Zeitspanne eingehen: Reklamieren mehr als zwei Patienten in einem Monat, so hapert es vermutlich mit der Zielerreichung. Besser noch wäre eine schriftliche Umfrage, bei welcher die Patienten mindestens zu 80% die Praxis mit «sehr gut» bewerten. Sind es weniger als acht von zehn befragten Patienten, so weiß man, dass man das gesteckte Ziel verfehlt hat.

Qualitative Ziele müssen, damit sie wirklich verifiziert werden können, in messbare, quantitative Unterziele heruntergebrochen werden.

 

Muss, sollte oder kann

Egal ob Geldmittel, Lebensenergie oder Stunden am Tag, die Ressourcen eines Menschen und einer Zahnarztpraxis sind nicht unbegrenzt. Daher gilt es diese möglichst effizient einzusetzen in dem man auch bei der Definition von Zielen Prioritäten setzt. Was ist zwingend, was eine Option und was eher nebensächlich? Oder, einfacher formuliert, welche Ziele müssen, welche sollen und welche können erreicht werden?

Das bekannte Sprichwort «weniger ist mehr» kommt auch bei der Definition von Zielen zum Tragen, kommt es doch nicht selten vor, dass man sich Zuviel vornimmt und die Muss-Ziele zu zahlreich sind. Die Folge: Man läuft Gefahr sich zu «verzetteln» – wie man so schön in der Schweiz sagt. Genau aus diesem Grund fordere ich die Teilnehmer an meinen Fortbildungskursen immer auf sich maximal drei Dinge aufzuschreiben, die sie in Folge des Kurses in ihrer Praxis in die Tat umsetzen wollen. Hat man diese drei Vorhaben erst mal erreicht, so darf man gerne drei weitere Ziele aus der Kategorie «soll» ins «muss» hochbefördern und – bestätigt durch den Erfolg der ersten Maßnahmen – angehen.

Morgen oder erst in zwei Jahren?

Was haben die Tour-de-France Fahrradfahrer mit den Pilgern auf dem Jakobsweg gemeinsam? Beide haben ein klares Ziel vor Augen, wissen aber auch, dass sie, um nach Paris respektive nach Santiago de Compostela zu gelangen, dies in Etappen tun müssen. Langfristige, strategische Ziele sind wichtig, um eine Vision zu entwickeln und, wie vorgängig schon beschrieben, um über eine klare Richtungsvorgabe zu verfügen – Stichwort «Kompass». Die kurz- und mittelfristigen, also die operativen und taktischen, Ziele sollen hingegen den Weg zum Fernziel ebnen. Überaus wichtig bei diesen kurz- und mittelfristigen Zielen ist, dass diese wirklich realistisch definiert werden. Von Anfang an zu hoch gesteckte Ziele, von denen man weiß, dass sie kaum – oder gar nicht – erreichbar sind, sind fatal, denn sie können nur Frustrationen auslösen. Die operativen und taktischen Ziele sollen zwar anspornen, aber eben auch motivieren – sich selbst wie auch das ganze Team der Zahnarztpraxis.

Veränderte Wertevorstellungen

Die Odontologie von heute wandelt sich nicht nur im medizinischen und technologischen Sinne, auch im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld gibt es Veränderungen. Viele ältere Zahnärzte kommentieren, dass die jüngere Generation nicht mehr gewillt ist ihre ganze Zeit in den Aufbau respektive Weiterführung einer Praxis zu investieren. Stichwort «Life-Work-Balance». Der Erfolg von neuen Praxismodellen wie etwa Dentalketten gründet sich nicht nur in deren Preisstrategie, sondern eben auch auf dieser veränderten Lebenseinstellung der jüngeren Generation, inklusive der Feminisierung der Zahnmedizin. Warum sich nach der Arbeit am Patienten noch hinsetzen, um den Papierkram zu erledigen, wenn man zu genau definierten Zeiten rein und raus kann und Ende Monat einen, wenn nicht hohen, dafür jedoch regelmäßigen Lohn aufs Konto überwiesen bekommt?

Harmonie und Balance

Bei der SWOT-Analyse respektive Zieldefinition gibt es kein richtig oder falsch, so wies auch beim Praxismarketing verschiedene Philosophieansätze und Vorgehensweisen gibt. Wichtig ist nur, dass jeder ehrlich mit sich selbst ist und die für sich stimme Balance zwischen Arbeit und Privatleben findet. Und, wenn die Welt wieder in die Gänge kommt, nicht vergisst gelegentlich wieder mal Inne zu halten und darüber nachzudenken, ob man immer noch auf dem richtigen Wege ist.

 

www.swissdentalmarketing.com

 

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