Sonntag, September 1, 2024
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Ein Blick auf andere Länder: Zahnmedizin auf Malta

Mit dem Ziel aufzuzeigen, wie die Zahnmedizin in anderen Ländern verstanden und angewandt wird, sprach das Dental Journal für diese Ausgabe mit Dr. Audrey Camilleri, Mitinhaberin einer Familienpraxis in der Nähe von La Valetta und engagierte Zahnärztin.

In Europa gibt es nicht viele Länder, die kleiner als Österreich oder die Schweiz sind. Die Republik San Marina mit seinen etwas über 33‘000 Einwohnern etwa, das Fürstentum Andorra mit seinen knapp 78‘000 Einwohnern oder Malta mit seinen 520‘000 Menschen. Die Inselrepublik im östlichen Mittelmeer, die aus drei Inseln besteht, ist in ihrer Gesamtfläche gerade mal nur doppelt so groß wie das Fürstentum Liechtenstein. Für die einen ist die einstige britische Kolonie ein geschichtsträchtiger Schmelztiegel der Kulturen, für die anderen eine Steueroase innerhalb der Europäischen Union und für dritte ist das kleine Land eine attraktive Urlaubsdestination.

Gemäß einer Publikation von Eurostat respektive der maltesischen Handelskammer aus dem Jahre 2019 zählt man in Malta gerade mal 47 Zahnärzte auf 100‘000 Einwohner, eine der tiefsten Prozentanteile in Europa, und gibt man im Suchportal www.yellow.com.mt den Begriff «dentist» ein, so erhält man 147 Treffer für Malta und Gozo. Sucht man in Österreich bei www.herold.at nach Zahnärzten in Graz (243‘000 Einwohnern), so erhält man alleine hier 197 Ordinationen. Oder in der Schweiz unter www.local.ch zum Beispiel im Kanton Genf mit seinen rund 500‘000 Einwohnern, so erhält man 249 Referenzen.

Das Dental Journal wollte wissen, wie die Zahnmedizin in diesem kleinen Inselstaat funktioniert und hat sich daher mit Dr. Audrey Camilleri (47) unterhalten, die zusammen mit ihrem Vater, ihrem Bruder und zwei Cousins eine Gemeinschaftspraxis in Sliema unweit der Hauptstadt La Valetta führt. Sie hat an der Universität von Malta Zahnmedizin studiert, am Eastman Dental Institut in London ihren Pädiatrie-Master absolviert und noch ein Jahr in Edinburgh gearbeitet, bevor sie 1997 auf der Insel im heimischen Familienunternehmen eingestiegen ist. Heute lehrt sie einmal in der Woche an ihrer Hochschule, ist bei Zahnmedizinerverband des Landes als «International Relations Officer» engagiert und sitzt als Vertreterin Maltas im «Council of European Dentists – CED», bei welchem auch die Österreichische Zahnärztekammer respektive die Schweizer SSO Mitglied ist.

Die Inselrepublik Malta zählt etwas über 500‘000 Einwohner und etwa 150 praktizierende Zahnärzte.

Erste Frage zum Einstieg: Wie ist die Mundgesundheit in Malta organisiert?

Die Zahnmedizin ist Teil unseres öffentlichen Gesundheitssystems, diese deckt bei Kindern und Jugendlichen bis zu 16 Jahren verschiedene Leistungen ab, wie zum Beispiel Kontrollen, Reinigungen, Füllungen und, in der Kieferorthopädie, lose Zahnspangen. Festsitzende Spangen werden nur bei außerordentlichen Fehlstellungen vom Staat übernommen.

Und wie sieht es bei den Erwachsenen aus?

Generell werden hier Routinekontrollen, Reinigungen und chirurgische Eingriffe vom Gesundheitssystem abgedeckt, einkommensschwache Bevölkerungskreise haben zudem Anrecht etwa auf Zahnwurzelbehandlungen oder Kronen.

Wie sieht es im privaten Sektor aus?

Auf Malta zählen wir zwischen 150 und 170 Zahnärztinnen und Zahnärzte, 90% davon beim offiziellen Verband, der «Dental Association of Malta» Mitglied. Viele decken, wie wir in unserer Gemeinschaftspraxis, die ganze Bandbreite der Mundgesundheit ab. Neu auf der Insel sind Zahnversicherungen, die etwa den Zahnersatz nach einem Unfall oder die Extraktion von Weisheitszähnen übernehmen.

Dr. Audrey Camilleri Camilleri Dental Clinic Regent House, Suite 15, Bisazza Street Sliema, SLM15, Malta www.camillericlinic.com.mt/

Sie behaupten, die Zahnärzte in Malta hätten ein besonders hohes Bildungsniveau. Können Sie uns sagen, weshalb?

Als ich an unserer Hochschule studierte, wurden gerade mal sechs Stunden pro Jahr aufgenommen, und auch wenn es heutzutage etwas mehr sind, so sind wir, wenn ich mich nicht täusche, die einzige Universität in Europa mit einem Numerus Clausus. Weil unsere Uni so klein ist, kommt man in den Genuss einer beinahe One-to-One Ausbildung.

Gibt es noch einen anderen Grund für dieses Ausbildungsniveau?

Die Studenten in Malta sind nahe an den Patienten, sie führen in den Jahren ihrer Ausbildung zum Beispiel hunderte Zahnfüllungen durch. Ich erinnere mich zu meiner Studentenzeit etwa fünfzig Extraktionen realisiert zu haben, ich kenne jedoch Kolleginnen und Kollegen im Ausland, die während ihres Studiums gerade mal zwei Zähne gezogen haben. Das theoretische Wissen ist das eine, das kann man überall erlernen, doch die praktische Arbeit am Patienten unter der Überwachung der Professoren wie bei uns in Malta, ist etwas anderes. Es ist, so meine Meinung, diese Eins-zu-Eins Ausbildung, welche unsere Hochschule einzigartig macht.

Wie sieht es in Malta mit der beruflichen Weiterbildung der Zahnärzte aus?

Als promovierter Zahnarzt kann man einerseits im Spital von Malta mit entsprechendem «supervising» seine Sporen abverdienen oder in einer privaten Praxis von erfahrenen Kollegen lernen, doch in Malta besteht keine Weiterbildungspflicht. Als Berufsverband organisieren wir jedoch sicherlich acht oder neun Vorlesungen und Veranstaltungen im Jahr, wobei rund 70% unserer Mitglieder jeweils daran teilnehmen.

Trotzdem, die berufliche Weiterbildung ist doch ein wichtiges Thema.

Eine fachliche Fortbildung ist in der Europäischen Union zwingend, doch schlussendlich entscheidet jedes Land selbst. Malta studiert dieses Thema, doch mit COVID-19 hat sich alles etwas verzögert. Ich meinerseits vertrete die «Dental Association of Malta» beim «Council of European Dentists», in welchem 24 Landesverbände mit dabei sind. Die berufliche Weiterbildung ist dort eine wichtige Angelegenheit, entsprechend haben wir dieses Thema beim maltesischen Zahnärzteverband aufgegriffen und analysiert, wie es andere Länder handhaben. Wir haben somit schon mal die Rahmenbedingungen geschaffen und sind für die Umsetzung durch die Behörden bereit.

Die Universität in Malta ist eine der einzigen Hochschulen in Europa mit einem Numerus Clausus.

Welches Verständnis hat Maltas Bevölkerung von der Zahnmedizin?

In diesem Bereich haben wir noch einen langen Weg vor uns. Als Kinderzahnärztin behandle ich kleine Patienten aus ganz Malta und habe daher eine gute Übersicht über die Demografie in unserem Land. Dabei kommt es immer wieder vor, dass ich den Eltern sagen muss, dass ihr Kind zehn Löcher hat, dass ich fünf Zähne ziehen oder dass ich Drei- und Vierjährige sedieren muss. Viele Mütter stillen ihre Kinder über das Alter von zwei Jahren hinaus, sie geben ihnen Milch und Süßigkeiten. Aus meiner Sicht würde ich behaupten, dass die Erziehung der Kinder in Sachen Mundgesundheit schlecht ist.

Was heißt dies für die erwachsenen Patienten?

Unsere Praxis ist etwas höher positioniert, so dass ein Patient, welchem wir ein Zahnimplantat empfehlen, diese Behandlung auch durchführen wird. Ich bin mir aber sicher, dass es sehr viele Menschen in Malta gibt, die Zahnfleischprobleme haben, oder die sagen, zieht mir den Zahn, mir ist das egal. Klar ist, wenn man als Kind nicht gelernt hat, sich um die eigene Mundgesundheit zu sorgen, so wird man dies im Alter auch nicht tun.

 

Daniel Izquierdo-Hänni
Daniel Izquierdo-Hänni
Der Schweizer Marketing- und Kommunikationsprofi Daniel Izquierdo-Hänni ist seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn auch journalistisch tätig, die Dentalbranche kennt er seit über fünfzehn Jahren bestens. Unter anderem gibt er seit über zehn Jahren Kurse zu den Themen Praxismarketing und Patientenkommunikation in der Zahnmedizin. Als Autor beim Dental Journal kann er seine beiden Kompetenzfelder ideal miteinander verbinden. Privat und beruflich pendelt er zwischen seiner ehemaligen Heimatstadt Basel und seinem Wohnort Valencia/Spanien hin und her.
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