StartAllgemeinErfahrungsbericht aus Afrika: Zahnarzt im 21. Jahrhundert!?

Erfahrungsbericht aus Afrika: Zahnarzt im 21. Jahrhundert!?

Erfahrungsbericht über den Einsatz bei Mercy Ships, welche seit über vierzig Jahren mit dem größten privaten Spitalschiff in den ärmsten Ländern dieser Welt medizinische Hilfe leistet.

Gastbeitrag von Dr. Daniel Florin, Zahnarzt aus Wettingen (Schweiz)

Insgesamt arbeiten über vierhundert Frauen und Männer aus 45 verschiedenen Ländern auf der «Africa Mercy», die bei meinem letzten Einsatz in Westafrika unterwegs gewesen ist. Auf diesem Schiff ist eine breite Zahl an Berufen anzufinden, vom Kapitän, den Seeleuten und Maschinisten über Schreiner, Schlosser, Köche, Frisöre, Computerspezialisten, Lehrer bis zu Ärzten aus allen Fachrichtungen, Krankenschwestern und -pfleger. Zudem gehört ein Dentalteam aus meistens drei oder vier Zahnärzten mit entsprechendem Personal zu dieser kleinen, schwimmenden Stadt, die da unterwegs ist. Die «Africa Mercy» ist mit sechs modernen Operationssälen ausgestattet, in denen Eingriffe wie Katarakte, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, orthopädische und plastische Korrekturen und auffallend viele Vaginalfisteln vorgenommen werden. Die Krankenstationen des Schiffes bietet Platz für 75 Patienten.

Eine Erfahrung, die jeder Zahnarzt in seinem Leben mal gemacht haben sollte: den Beruf unter ganz elementaren Bedingungen auszuüben.

Wo Menschen noch an faulen Zähnen sterben.

Unser Dentalteam arbeitet allerdings nicht auf dem Schiff, sondern meistens in einem geeigneten Bau in der entsprechenden Hafenstadt, oder in der weiteren Umgebung im Umland. In einem von der jeweiligen Regierung gestellten Gebäude praktizieren wir mit einfachen, mobilen Dentalgeräten. Die häufigsten Eingriffe, die wir vornehmen, sind Extraktionen, kleine Füllungen, Frakturbehandlungen und was, recht häufig vorkommt, ausgedehnte Abszesse sowie, bis zu einer gewissen Größe, gutartige Tumorentfernungen. Maligne Prozesse versorgen wir nur palliativ. Dabei muss man sich vorstellen, dass es in diesen Ländern zum Teil gar keine zahnärztliche Versorgung gibt! Als Folge davon sterben dort Menschen auch an verfaulten Zähnen! Einfach so!

Dieses Jahr ist ein zweites Schiff in Betrieb genommen worden, so dass in Zukunft auch an der afrikanischen Ostküste Hilfe geleistet werden kann. Das heißt, es braucht dringend mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich für die Mundgesundheit in der dritten Welt engagieren. Gerne können sich Interessenten mit ihren Fragen per E-Mail oder Telefon an mich wenden: Dr. med. dent. Daniel Florin, jimyflorin@bluewin.ch

Bisher arbeitete ich in Ländern wie Liberia, Benin, Togo, Sierra Leone, Guinea, Senegal, Kamerun oder der Demokratischen Republik Kongo, also immer in Westafrika. Während der Ebola-Epidemie waren wir zudem für zwei Jahre in Madagaskar. Egal wo, überall nehmen die Menschen die Strapazen eines weiten Weges auf sich, um bei uns zahnärztlich Hilfe zu suchen. In gewissen Ländern arbeiten wir nur teilweise in einer «normalen» Praxis, oft führen wir mit den wenigen, lokalen Zahnärzten spezielle Einsätze durch, um auf diese Weise näher an die Bevölkerung zu gelangen. So besuchten wir etwa in Sierra Leona eine Woche lang das Zentralgefängnis in der Hauptstadt Freetown und befreiten dort die Insassen von schmerzenden und kaputten Zähnen. Bei einer anderen Gelegenheit gingen wir für eine Woche in eine Bezirksstadt im Landesinneren, um ebenfalls zahnärztliche Nothilfe zu bieten.

Arbeiten ohne Strom

Diese Einsätze waren insofern beschwerlich, da wir ohne Strom arbeiten mussten. Also alles Handarbeit mit Hebel, Zange, Tupfer, Knochenmeißel und was sonst noch alles dazu dient Zähne und Wurzeln herauszuknobeln. Erschwerend hinzu kommen die klimatischen Bedingungen: entweder war Trockenzeit und entsprechend heiß, oder es war mitten in der Regenzeit und damit unglaublich schwül und feucht. Ohne Strom bedeutete in diesem Zusammenhang somit auch: keinen Ventilator, geschweige denn Aircondition! Da gilt es durchbeißen. Ich war während der Arbeit ständig durchgeschwitzt, mit der Zeit schmeckte der Schweiß nicht einmal mehr nach Salz. Doch trotz dieser widrigen Umstände gelang es uns dank guter Planung und Organisation pro Tag bis zu 300 Patienten zu behandeln und bei diesen über 750 Zähne zu entfernen. Bedauerlicherweise mussten wir mindestens nochmal so viele Patienten unbehandelt zurücklassen, da uns am Ende der Woche das Material ausgegangen war.

Dr. med. dent. Daniel Florin leistet seit 15 Jahren zahnärztliche Hilfe in Westafrika.

Spannender, befriedigender Knochenjob

Es ist ganz klar, unter solchen Umständen die Zahnmedizin zu betreiben, ist ein echter Knochenjob, doch rückblickend komme ich immer wieder zum Schluss, dass die Einsätze in Afrika immer spannend und befriedigend gewesen sind. Ich werde somit ganz sicher nächstes Jahr wieder einen Einsatz planen, vermutlich wieder mal in Liberia, und so eine echte Direkthilfe an leidenden Menschen zu leisten. Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass noch mehr Kolleginnen und Kollegen sich dazu entschließen würden für Mercy Ships mal einen Einsatz zu leisten. Aber auch für Frischabgänger von der Universität wäre es ein solcher Auslandeinsatz eine interessante Chance, die Zahnmedizin zu vertiefen und praktisch anzuwenden. Ich finde, es geht darum, dass wir uns mit unseren Fähigkeiten für Menschen einzusetzen, die sonst keine Chance haben medizinisch adäquat versorgt zu werden. Eine Aufgabe, die nicht mit Geld aufzuwiegen ist!

www.mercyships.ch

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