Freitag, März 29, 2024
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Am 1-zu-1 Modell konnte jedes Detail ausprobiert werden

Das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel überliess bei der Planung der Behandlungsboxen nichts dem Zufall

Im August des vergangenen Jahres nahm das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel seinen Betrieb auf, neu vereint das UZB Patientenbetreuung, Lehre und Forschung an einem einzigen Standort. Von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnung des fünfstöckigen Baus, in welchem heute rund 280 Mitarbeitende in sieben Kliniken tätig sind, vergingen knapp drei Jahre. Die genaue Planung der zahnmedizinischen Installationen startete jedoch schon zwei Jahre vorher, zwar nicht nur am Reissbrett respektive am Computer der Innenarchitekten, sondern physisch und real mit einem 1-zu-1 Model.  

Jeder, der schon mal eine Zahnarztpraxis eingerichtet respektive renoviert hat, weiss, dass man dabei auf jede noch so nebensächliche Kleinigkeit achten muss: Ist der Wasseranschluss für den Absauger auch an der richtigen Stelle? Verlaufen die Stromleitungen wirklich so, wie sie sollten? Und ist das Mobiliar so eingerichtet, dass die Arbeitsabläufe möglichst effizient sind? Änderungen im Nachhinein strapazieren nicht nur die Nerven, sondern sind auch mit Mehrkosten verbunden.

Sind Installationskorrekturen bei einer Einzelpraxis schon ärgerlich, so können sich diese bei einem Grossprojekt wie das UZB um Faktor 89 vervielfachen – denn genau über diese Anzahl an Behandlungszimmern verfügt der Neubau in Basel.

Genau aus diesem Grund hat das Projektteam Nutzer unter der Leitung von Dr. med. dent. Peter Wiehl, ehemaliger Kantonszahnarzt Basel-Stadt und bis vor Kurzem noch Mitglied des Verwaltungsrates des UZB, entschieden nicht das kleinste Detail dem Zufall zu überlassen und jede Kleinigkeit eins-zu-eins auszutesten. «Zuerst war die Erstellung eines Mockups nur für die Definition der Ausstattung eines Behandlungszimmer gedacht. Durch den bewussten Einbezug der Nutzer konnten viele Mitarbeitende ihren Einfluss auf die Gestaltung im Rahmen der Vorgaben machen.» kommentiert Dr. Peter Wiehl die ursprüngliche Idee. «Im Verlaufe der Zeit haben die Planer den hohen Wert von Erweiterungen am Mockup erkannt, so dass das Mockup während knapp 18 Monaten zur Erweiterung, Testung und Definition von verschiedenen Gewerken genutzt werden konnte.» Mit Holz als Grundelement wurde ein Behandlungszimmer von 20 Quadratmetern geschreinert, inklusive Wände, Türen, Fenster sowie die seitlichen Arbeitsplätze für Zahnarztinnen respektive  Zahnärzte und Praxisassistentin. Gebaut wurde das Ganze im einem leerstehenden Feuerwehrmagazin, welches genügend Platz bot, um am Modell von innen wie von aussen zu arbeiten.

Das Mockup wurde nicht nur für die 20 Quadratmeter des Behandlungszimmers erstellt, sondern simulierte auch den dazugehörenden Gang.

Einerseits wollte man mit diesem Vorgehen bauliche Aspekte analysieren: Welches ist die Anordnung etwa der Lavabos, Lichtquellen oder der Durchreiche? Wie genau sollen die Seitenwände, Türen, Fenster und Sonnenstoren gebaut werden? Wohin kommen die Installationen wie Behandlungsstuhl, Schaltgerät für das intraorale Röntgen oder das Behandlungslicht an der Decke? Und welches ist die Farbgebung des Bodens, der Möblierung sowie der Behandlungseinheiten? Das Praxis-Mockup diente aber auch dazu, funktionelle Aspekte genausten auszuprobieren und zu bestimmen. Fragen etwa wie die definitive Auswahl der Dentalunits (Verschiebebahn, Schwebetisch, Schwingbügel), dem genauen Montageort der Röntgengeräte oder die Festlegung der genauen Arbeitshöhe der Seitenmöbel.

Projektleiter Dr. Peter Wiehl hat in einem knapp 50-seitigen Bericht die verschiedenen Schritte und Entscheidung in Text und Bild zusammengefasst. Das Dental Journal Schweiz hat dieses Dokument genau studiert und ein paar Erkenntnisse ausgewählt, die für die Leserschaft von Interesse sein und als Inspiration bei der eigenen Praxisplanung dienlich sein könnten.

Der Sichtschutz kann durchaus auch informativen und ästhetischen Anforderungen entsprechen.

Durchsicht versus Diskretion

Die Privatsphäre der Patienten ist bei der Human- respektive Zahnmedizin von besonderer Bedeutung, nicht weniger wichtig ist jedoch Transparenz, auch im wahrsten Sinne des Wortes. So setzen immer mehr Praxen auf helle, offene Räume, wobei Glastüren und –wände beliebte Elemente bei der Inneneinrichtung um so den Patienten ein Gefühl von Offenheit und Raum zu vermitteln. Zu kurz kommt meistens die Privatsphäre in den Behandlungsräumen von zahnmedizinischen Universitäten, schliesslich müssen die Dozenten ihre Studenten bei deren Eingriffen im Auge behalten können.

Bei der Planung der Behandlungszimmer suchte das UZB eine Balance zwischen den unterschiedlichen Kriterien: Glastüren und -wände gewährleisten den Blickkontakt zwischen Ausbildner und Studierenden in den benachbarten Zimmern, aber auch während der Röntgenaufnahme zwischen Behandler und Patienten. Nicht zuletzt gibt die Strahlenschutzregelung vor, dass der Patienten während der Röntgenaufnahme unter Sichtkontrolle sein muss.

Die Kombination von transparentem Kristall und undurchsichtigem Milchglas lag auf der Hand, allerdings entschied man sich nach dem Test im 1-zu-1 Modell dafür, grafische Elemente wie etwa Piktogramme oder Zimmernummerierung zusätzlich zu integrieren. Und um neugierige Blicke von aussen abzuwenden, wurde sogenanntes «Riffelglas» als Ergänzung verwendet. Bei der Herstellung von so grossen Fensterflächen musste beim Neubau auf ein Rillenglas mit ähnlichen Eigenschaften gewechselt werden.

Riffelglas als Patientenschutz: Licht und Konturen sind zwar sichtbar, Details sind jedoch keine zu erkennen.

Welches ist der richtige Behandlungsstuhl?

Die Behandlungseinheiten bilden zweifelsohne das Herz einer jeder Zahnarztpraxis, entsprechend gross ist die Auswahl an Herstellern, Marken und Modellen. Kriterien für den Entscheid gibt es viele – Technologie, Ergonomie, Kosten, Design – und da das UZB gleich 89 solcher Geräte bestellen wollte, wurde sehr viel Zeit verwendet, um im Mockup die unterschiedlichen Modelltypen ausprobieren. So wurde etwa das Konzept der Verschiebebahn aus Platzgründen nicht weiterverfolgt, da die Einengung des administrativen Arbeitsplatzes zu stark war. Ausgeschlossen wurden ebenfalls die Behandlungseinheiten mit Schwingbügeln, fanden diese einfach zu wenig Zustimmung bei den Testnutzern. Das Rennen machte somit das Konzept des Schwebetisches, da dieses sowohl den Platzverhältnissen wie auch den bisherigen Arbeitsgewohnheiten grossmehrheitlich entsprach. Hierzu Andreas Stutz, CEO des UZB: «Das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB hat sich im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung für Dentsply Sirona entschieden, da das Angebot die Kriterien am besten erfüllte.»

Bei den Mockup-Tests der Behandlungseinheiten machte ein Schwebetischmodell das Rennen.

Farben und Licht

In einem derart sensiblen Umfeld wie die Zahnmedizin haben Aspekte der Inneneinrichtung wie Farbgebung oder Licht einen direkten Einfluss auf die Arbeit am Patienten (Ästhetik) und auf den Zustand der Patienten, die sich angesichts der bevorstehenden Behandlung so gut wie möglich entkrampfen und entspannen sollten. Nicht weniger wichtig ist das Interieur und das Ambiente für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UZB, allen voran Zahnärztinnen und Zahnärzte, Studierende und Praxispersonal. Am Mockup konnten auch diese Kriterien praktisch ausprobiert, besprochen und entsprechend verbessert werden. So war anfänglich der Eingangsbereich der Behandlungsbox in einem dunklen Blau gestaltet, doch da dieser Vorschlag überhaupt nicht mehrheitsfähig gewesen ist, entschied man sich für einen hellen Grauton. Von Anfang an unbestritten war jedoch der Bodenbelag in einem Senfgelb, der mit dem hellen Grau bestens harmonierte – und dies jetzt auch auf mehreren Stockwerken tut.

Dunkelblau als Farbe kam gar nicht gut an und wurde verworfen.

Bei einem Grossprojekt wie das UZB spielen beim Beleuchtungskonzept betriebswirtschaftliche Aspekte wie etwa Stromverbrauch oder Unterhalt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Versuche im 1-zu-1 Modell dienten jedoch auch dazu, den ästhetischen respektive «benutzerfreundlichen» Aspekten der Licht- und Raumgestaltung gerecht zu werden.

Entlang der Decken in den Korridoren verlaufen nebst den Lichtelementen auch Leitungen und Rohre. Um diese abzudecken dachte man an eine geflochtene Metallrasterdecke, im Fachjargon «Ticell-Decke» genannt. Die feinen Lamellen aus Metall sollten eine Offenheit und Transparenz ermöglichen, die dank ihrer Leichtigkeit nicht auf das Gemüt der Mitarbeitenden sowie der Patienten drücken. Um sicher zu gehen, dass die Gänge genügend hell sein werden, wurden Lichtmessungen durchgeführt mit dem Ziel, die adäquate Lichtquelle respektive -stärke zu bestimmen.

Eine verspielte und leicht wirkende Decke sollte ein angenehmes Gefühl für die Patienten und Nutzer vermitteln.

Gute Planung lohnt sich

Das UZB ist als eine öffentlich-rechtliche Anstalt zu 100% im Besitz des Kantons Basel-Stadt, für das ganze Projekt hatte der Verwaltungsrat 95 Millionen Schweizer Franken veranschlagt. Tatsächlich konnten die Gesamtkosten für dieses zahnmedizinisches Hochleistungszentrum jedoch unter 90 Millionen gehalten werden. Einer der Gründe dafür ist zweifelsohne die minutiöse Planung. Dr. Peter Wiehl kommentiert: «Der Preis von rund 50’000 Schweizer Franken für das Mockup hat sich auch finanziell gelohnt, da 89 Behandlungszimmer gleich gebaut und installiert werden konnten.»

Keine Planung ohne Kreativität: Mangels einer Reanimationspuppe wurde ein Zuckertütchen aufgerissen, welches die langen Zahnwurzeln symbolisieren sollte. So konnte die Funktion des Mikroskops in Bezug auf Tiefenschärfe kontrolliert werden.
Daniel Izquierdo-Hänni
Daniel Izquierdo-Hänni
Der Schweizer Marketing- und Kommunikationsprofi Daniel Izquierdo-Hänni ist seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn auch journalistisch tätig, die Dentalbranche kennt er seit über fünfzehn Jahren bestens. Unter anderem gibt er seit über zehn Jahren Kurse zu den Themen Praxismarketing und Patientenkommunikation in der Zahnmedizin. Als Autor beim Dental Journal kann er seine beiden Kompetenzfelder ideal miteinander verbinden. Privat und beruflich pendelt er zwischen seiner ehemaligen Heimatstadt Basel und seinem Wohnort Valencia/Spanien hin und her.
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