Es kommt mir vor als sei es gestern gewesen, dass das Dental Journal ein Interview mit mir mit dem Titel «Marketing? Nein Danke!» veröffentlichte. Doch jetzt stelle ich fest, dass es im November 2010 gewesen ist. Neun Jahre! Wie die Zeit verfliegt!
Thema jenes Gesprächs war die «natürliche Scheu» der Zahnmediziner gegenüber dem, was oftmals als Synonym für Kommerz abgetan wird. Schließlich ist man ja als Odontologe ein hochspezialisierter Facharzt mit nicht minder hohen ethisch-medizinischen Ansprüchen. Und so gesehen ist Marketing einfach nur des Teufels Zeug! Wie lautet doch der Spruch, der schon manche Mauer als Graffiti zierte? Gib Kommerz keine Chance!
Nun frage ich mich jedoch: Leben die Inhaberinnen und Inhaber von Ordinationen eigentlich nur von Luft und Liebe? Wohl kaum! Schließlich müssen die Monatsmiete überwiesen, die ach so teuren Geräteanschaffungen abgestottert sowie die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlt werden. Und, last but not least, sollte ja noch was für sich selbst übrig bleiben.
Wie kann ich den Zufluss an Neupatienten sichern? Oder wie schaffe ich es die Akzeptanz von kostspieligen Behandlungsvorschlägen zu steigern? Nur zwei von vielen, nicht unwesentlichen Fragen, mit denen sich die Praxisinhaberinnen und –Inhaber rumschlagen müssen. Aus rein medizinischer Sicht handelt es sich um absolut profane Themen, die rein gar nichts mit der zahnmedizinischen Wissenschaft zu tun haben. Doch diese «non medical topics» gehören zu einer Zahnarztpraxis wie das Dentin auf die Zahnoberfläche. Es sind die Sorgen eines jeden Freiberuflers und Kleinunternehmers, und läuft immer wieder auf eines hinaus: Geld, Schotter, Knete und Mammon. Kommt genügend rein? Wenn ja, bestens, doch wird dies auch in Zukunft so sein? Und wenn nein, was kann ich tun um dies zu ändern?
Seit jenem Interview 2010 ist viel Wasser die Donau runtergeflossen. 2010 kaufte ich meine Kriminalromane noch im Buchladen und nicht bei Amazon, verschickte SMS anstatt Whats Apps. Doch die Welt dreht sich, gefühlt, immer schneller, und mit ihr auch die Zahnmedizin. Neue Behandlungsprotokolle und technologische Entwicklungen haben die Arbeit in der Praxis verändert. Diese medizinische Entwicklung wird von Zahnmedizinern als Teil ihres Berufes verstanden und entsprechend verinnerlicht, und trotzdem verstehen viele nicht, dass sich auch die nicht-dentale Welt um sie herum laufend weiterentwickelt.
Ich gehe durchaus mit Jean-Philippe Haesler, Präsident der Schweizer Zahnärztevereinigung SSO, einig, wenn er in einem Interview behauptet, Zahnärzte seien Mediziner und keine Kaufleute. Theoretisch mag er Recht haben, praktisch bin ich mir nicht ganz so sicher.
Denn den Kopf in den Sand zu stecken ist keine Lösung, man muss auch als Dental-Mini-Unternehmen die Zeichen der Zeit verstehen. In diesem Sinne: Was können Zahnärzte von den Kaufleuten lernen? Nur Geld scheffeln zu wollen? Sicherlich nicht! Die Bedürfnisse der Kunden – sprich Patienten – erkennen und versuchen, diese zu befriedigen? Ja! Dem Patienten gegenüber so zu sprechen und argumentieren, dass dieser seinen Zahnarzt wirklich verstehen kann und davon überzeugt wird in seine Mundgesundheit zu investieren? Ja, aber ganz sicher! Den Patienten nicht als zahnmedizinscher Fall, sondern als Mensch zu behandeln? Zweifelsohne ja! Und aus dem Patienten einen treuen Praxiskunden zu machen? Ja, ja, ja!